Etüden-Tipp?

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Re: Etüden-Tipp?

Beitragvon Prof » So 21. Jun 2009, 13:06

Im Gymnasium haben wir eben ab der 3.Klasse (= 3.Jahr) Griechisch gehabt und später dann Demosthenesreden gelesen und übersetzt. Dazu haben wir auch erfahren, daß er wegen seines Lispeln und Stotterns diese Steinchenmethode angewandt hat. Wie oder was ist doch eh wurscht. Hauptsache ist die Erschwernis der Artikulation, mit der die heutige Generation sowieso große Schwierigkeiten hat. Durch Handicap wird man gezwungen, noch besser zu artikulieren. Wenn man super hohe Stellen spielen können will, muß man sie auch eine oder zwei Stufen höher bringen können, in der Tiefe ist es ebenso. Wenn eine Stelle sehr schwierig ist, macht mans halt auch in E oder in Des oder in H, damit es dann in Es oder F fehlerlos gut geht. Wer E-Dur, H-Dur und Fis-Dur auf dem F-Horn fehlerfrei spielen kann, spielt sich dann auf dem B-Horn bei E-Dur. Durch diese Handicaps wird auch der Alptraum der B-Hornisten, das Weber op.45, spielbar. Mit der richtigen Kombination zw. B- und F-Horn wird es allerdings viel, viel leichter. Aber mir glaubt niemand. Es wird lieber nach A/E umgesteckt, - und dann vergriffen.

Frage: Warum wird von Euch bei jedem Scheiß nach Nachweisen oder Literatur gefragt ? Über Google findet Ihr doch sowieso alles, aber hier hakt es anscheinnd aus. Schade.
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Re: Etüden-Tipp?

Beitragvon George » Mo 22. Jun 2009, 13:52

Demosthenes hatte einen Sprachfehler; er hat gestottert, sprach sehr leise und nuschelte. Da er sich damit nicht abfinden wollte, ging er immer ans Meer und nahm den Mund voller Kieselsteine. Mit den Kieselsteinen im Mund versuchte er lauter zu sein als die Wellen und das Meer. Seine Übung war für ihn sehr erfolgreich: Er wurde zu einem großen Redner und Staatsmann.
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Re: Etüden-Tipp?

Beitragvon Prof » Mo 22. Jun 2009, 14:31

Lieber George ! Muß man eigentlich allen naiven Fragern alles aufbereitet in den Mund stopfen ? Es war doch von mir alles gesagt (Stottern, Lispeln), auch das warum (Handicap). Es ist unser Fehler, daß wir alles nachlesen und den meist noch jungen Fragern aufbereiten. Die haben doch selbst ein Hirn und finden selbst alles - wenn sie unbedingt finden wollen. Wir erziehen sie geradezu zur Denkfaulheit. Es geht doch so einfach: Google, Demosthenes, basta. Der Unterschied ist nur, daß wir bereits wissen, was es mit dieser Methode auf sich hat. Es ist natürlich etwas unbequem. Es gibt da noch andere Tricks bez. lockerer Ansatz z.B. Lippen vorspannen und hyperentspannen vor einem hohen Einsatz, im pp hineinschleichen und mehr.

Wer Etüden sucht, soll auf meinem Website nach Vienna, Studium suchen. Da ist der ganze Ausbildungplan a la Stiegler und Freiberg zu finden. Es ist ein Extrakt aus den Studienbüchern Roland Bergers und meinem eigenen. Es waren echt sehr, sehr viele Etüden. Zählt mal nach.
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Re: Etüden-Tipp?

Beitragvon david » Fr 26. Jun 2009, 15:59

Danke Georg für deine Antwort
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Re: Etüden-Tipp?

Beitragvon Hödlmoser » Do 2. Jul 2009, 23:22

Anstoßtechniken?
Es gibt aus meiner Sicht nur eine Anstoßtechnik, nämlich wie beim Singen oder Sprechen. Wer von Natur aus lispelt, wird es wohl auch beim Hornspielen machen. Wer nuschelt, nuschelt auch auf dem Horn. Stottern gibt es auch; das fällt aber unter den Begriff "Zungenblocker". Es gibt eigentlich nur ein Instrument, dass eine etwas artifizielle Anstoßart hat nämlich die Klarinette, zumindest seit dem die Klarinettisten (aus guten Gründen) den Schnabel "falsch herum" in den Mund stecken.(Blatt unten)
Es gibt wie beim Sprechen 1. den Glottisschlag = lautloses Vokale hart aussprechen (A;E;I;O;U )
2. alle möglichen Konsonanten: h; n; qu, d; t; g; l usw.

Die früher öfters genannte Methode, der Zunge zwischen die Zähne oder gar Lippen, lehne ich grundsätzlich ab, außer bei ganz bestimmten Effekten (extrem kurz, wie pizzikato - gibt es gelegentlich bei Strawinski)

Lieber Peter!
Ich kann Dir da nicht ganz folgen:
Mein Lehrer, der alte Prof, lehrte uns den reinen Zungenstoß.
Beim "Musizieren" selbst findet man dann selbst heraus, wie man phrasiert, also ob man diesen Stoß dann hört oder nicht. Es klingt dann weich oder gehaucht.
Schüler sollen die "Attacke" lernen. Der weiche Anstoß kommt durchs "musizieren".
Mit den Vokalen und Konsonanten? Das mußt Du uns noch erklären.

Liebe Grüße vom Hödlmoser
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Re: Etüden-Tipp?

Beitragvon Prof » Fr 3. Jul 2009, 17:55

Lieber Hödlmoserischa !

Dieser Zungenstoß war ja im Prinzip gut, brachte aber im weiteren Verlauf außer der Sauberkeit des Anstoßes nicht viel mehr. Wir alle, die durch diese Art von Hornschule gegangen sind, haben aber wegen dieser Schule unsere Schwierigkeiten mit dem "repetitiven" Stoß, also dem schnell aufeinander folgenden Stoß. Wir haben immer gesagt, das Schnätterateng ü berlassen wir lieber den Trompetern. Das war aber falsch. Im Laufe der Jahre habe ich mir dann eine Art so leidlich funktionierende Doppelzunge erarbeitet, die aber besser hätte sein können.

Aber, jetzt das große ABER:
Wir haben dafür einen unbezahlbaren Vorteil vor allen anderen Schulen: das cantabile-Spiel, das singende Spiel. Das ist mehr wert als jedes superschnelle Wiederholen von Noten oder irre schnelle Läufe (die nie bezahlt werden !!!). Mein Motto war es immer: Nicht möglichst viele Noten pro Dollar (damas war er noch was) zu spielen, sondern (wegen der Qualität) möglichst viele Dollar pro Note zu erhalten.

Trotzdem: eine sehr schnelle Doppelzung ist schon sehr viel wert.

Bitte, junge Kollegen, verwechselt einen blitzschnellen sauberen Anstoß oder Beginn eines Tones nicht mit dem schnellen repetitiven Stoß. Dieser blitzschnelle Anstoß wird nur mit äußerster Disziplin zu erreichen sein. Die Arbeit lohnt sich durch die damit erreichte Sicherheit. Das fängt mit dem Töneaushalten an. Jedesmal mit Kommando 3-4-los. Und das muß in jeder Dynamik und in jeder Ausdrucksform funktionieren.
Zuletzt geändert von Prof am Fr 3. Jul 2009, 19:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Etüden-Tipp?

Beitragvon Peter » Fr 3. Jul 2009, 18:09

Lieber Hödlmoser-Johann,
Es gibt immer verschiedene Meinungen, die ich auch achte und respektiere. Was die Anstoß-Technik anbetrifft, bleibe ich allerdings bei meiner Auffassung.

Ich kenne die Tarr'sche Barocktrompetenschule. Diese ist sehr gut. Ifor James erklärt in Youtube seinen Anstoß sehr gut - Allein, man mag mir verzeihen, ich finde seine Erklärungen zu wenig und zu technisch und nicht auf musikalischen Erfordernissen beruhend.
Ich möchte nochmal auf den Begriff: artikulieren zurück kommen:
Es kommt doch nicht von ungefähr, dass man diesen Begriff sowohl beim Sprechen (Linguistik) wie beim Musizieren benutzt. Warum haben die Slaven (besonders die Tschechen) einen so spitzigen kurzen Anstoß, warum klingt es bei den Franzosen immer etwas nasal und bei den Angelsachsen immer etwas bequem? (das ist alles w e r t f r e i gemeint)
Nein, der Anstoß (besser Tonbeginn) wird durch die (Muttersprache) geprägt. Dieses ist auch eine Teil- Erklärung für die verschiedenen Schulen.

Kurz und gut:

wie beim Sprechen oder singen

Es tauchen natürlich neue Fragen auf:
Was heißt staccato? was ist legato? was bedeuten Punkte unterm Bogen) was versteht man unter Abphrasieren? usw.
zu 1 staccato heißt nicht kurz, sondern getrennt, auch wenn im Normalfall staccato kurzer gespielt wird.
zu 2 legato bedeute das verbinden der Töne ohne Loch; das kann man auch mit Hilfe der Zunge machen (Legatostoß)
zu 3 punkte unterm Bogen kommt aus der Streichertechnik und meint "auf einem Bogen" (nicht hin und her oder detaché) für Bläser bedeutet das eigentlich pulsieren ohne Zunge. (wird heute aber oft portato genannt)
zu 4 abphrasieren bedeutet unter anderem: Wenn 2 Noten auf der gleichen Tonhöhe neben einander stehen, dann muss man die erste etwas kürzen. Das kommt tausende mal in der Klassik vor nicht da-ha -da sonder da-hà- da
Man kann auch beim strenges legato, was auf dem Horn oft verschmiert klingt, mit der Zunge sanft nachhelfen.. z.B. Mozart 4 erster Satz takt 165 (mit Auftakt)
Streicher würden folgenderweise spielen:
di da-hi;da-hi; da-hi; da-hi; da
Hornisten können den gleiche Effekt erreichen, wenn sie in etwa
di; da-di;da-di;da-di:da-di: da oder di; da.ni:da.ni:da-ni:da-ni; da oder auch di; da-li;da-li;da-li:da-li: da artikulieren (wichtig dabei ist, dass das i immer etwas kürzer als das a ist.

Eine interessantes Thema!
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Re: Etüden-Tipp?

Beitragvon Hödlmoser » Fr 12. Mär 2010, 16:15

Aus aktuellem Anlass: Prof schreibt am 21.Juni 2009:
Wer E-Dur, H-Dur und Fis-Dur auf dem F-Horn fehlerfrei spielen kann, spielt sich dann auf dem B-Horn bei E-Dur. Durch diese Handicaps wird auch der Alptraum der B-Hornisten, das Weber op.45, spielbar. Mit der richtigen Kombination zw. B- und F-Horn wird es allerdings viel, viel leichter. Aber mir glaubt niemand. Es wird lieber nach A/E umgesteckt, - und dann vergriffen.

Schaut euch mal das an:
http://www.youtube.com/watch?v=T9ZlQYPAUH4
http://www.youtube.com/watch?v=vmbyBHGL ... re=related
Danke Niki!
Liebe Grüße vom Hödlmoser
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Re: Etüden-Tipp?

Beitragvon Prof » Fr 12. Mär 2010, 18:22

Lieber Hödlmosarischa !

Das Video bestätigt alles, was ich immer predige. Trotzdem: Radek ist DIE Ausnahmeerscheinung in der Hornistenwelt. Bei ihm stimmt einfach alles. Alles ist ganz natürlich. Dazu kommt noch sein präziser Anstoß, die saubere Fingertechnik (jaja, ich weiß, daß ich immer predige; aber er hat halt die Finger RICHTIG auf den Drückern !! Dann geht das schnelle Zeug auch richtig.), unbestechliches Gehör und größte Musikalität und Spieldisziplin.

Anhängen ihr jungen Bürscherl und nachmachen.

Es ist eben Radek !!!!

Dir, Hödlmosarischa, brauche ich das ja nicht zu sagen. Du verstehst das eh selber.

Liebe Grüße aus Kirchheim.
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