Ansatz, Ausdauer, Alter

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Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon Kazim » Mi 17. Jan 2018, 20:15

Ich spiele seit ungef. 25 Jahren Horn. Während der Musikschulzeit und darüber hinaus hatte ich ein Hornquartett. Bei der Blasmusik spielen wir Stücke die auch für das Horn teilw. recht anspruchsvoll sind. Bis vor ca. 2 Jahren hatte ich bezüglich Höhe (bis b2) und Ausdauer keine Probleme.
Die letzten beiden Jahre wurde erst die Ausdauer und mit der Zeit auch die Höhe weniger. Je mehr ich übte umso schlechter wurde es. Anscheinend erholt sich die Lippenmuskulatur nur sehr schwer.
Zur Zeit bin ich in einer Sackgasse. Viel Üben funktioniert nicht, mit wenig Üben ändert sich auch nix. Bei der letzten Probe habe ich nun das 1. Horn abgegeben u. spiele jetzt die 2. od. 3. Stimme. Auf diese Weise kann ich die ganze Probe (ca. Stunden) mitspielen.
Meine Frage: Hat schon jemand Erfahrungen dieser Art gemacht? Kennt jemand einen Arzt der sich im Bereich Lippenmuskulatur spezialisiert hat?
Ich bin jetzt 65, jedoch glaube ich nicht unbedingt daran dass mein Problem eine Alterserscheinung ist, schließlich gibt es Hornisten die Älter als ich sind.
Kazim
 
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Re: Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon a.r.cor » Do 18. Jan 2018, 00:19

Hallo Kazim,

wenn Sie keine Schmerzen an Lippe bzw. Muskulatur haben, wäre ein erfahrener Hornlehrer oder Orchestermusiker vielleicht eine Alternative zum Arzt; die Kontrolle der Atmung und der Übe-Methode könnte eine Idee sein.

Viel Erfolg!
Achim
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Re: Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon Hödlmoser » Do 18. Jan 2018, 01:23

Ich schließe mich vollinhaltlich der Antwort von a.r.cor. an und möchte nur hinzufügen, dass nach zu vielem Üben die Mundstückposition auf der Ober- und Unterlippe beobachtet werden sollte. Nicht nach unten rutschen!! Pausen machen! Immer wieder Kontrolle! Atmung, Mundstückposition, Ubemethode, Töne aushalten. Farkas Warm-Ups müssen leicht gehen! Pausen machen! Wieder leichtere Musikstücke! Pausen! .. Kontrolle! .. Und viel Geduld! Und kein Alkohol!
Liebe Grüße vom Hödlmoser
Hödlmoser
 
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Re: Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon klangwelt » Do 18. Jan 2018, 12:18

Halllo Kazim,
ohne Dir in irgendeiner Form zu nahe treten zu wollen hier ein Zitat von einer Internetseite für Sportler (http://www.runnersworld.de):

„Ein fortschreitender Verlust der Muskelmasse erfolgt ab etwa 40 Jahren. Dieser Abbau wird auf ungefähr 8 % pro Jahrzehnt bis zum Alter von 70 Jahren geschätzt, danach erhöht sich der Verlust auf 15 % pro Jahrzehnt. [...] Also, aus praktischer Sicht, ist es für die meisten Menschen vermutlich ehrlicher zu sagen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, die Muskelmasse, die sie mit 70 verlieren, wieder aufzubauen. Was das betrifft, gilt dasselbe auch für die 8 % an Muskelmasse pro Jahrzehnt, die man ab 40 verliert. Nicht, dass es unmöglich ist, auch noch mit 40 Muskeln aufzubauen – es ist nur so, dass ab jetzt die Zeit immer mehr gegen uns arbeitet."

Auch wenn sich diese Aussage auf Sportler bezieht, gilt es dennoch für alle Menschen, dass es mit fortschreitendem Alter immer schwieriger wird, Kondition und Ausdauer zu erhalten - auch beim Spielen eines Musikinstruments. Man sollte sich von dieser Tatsache jedoch nicht entmutigen lassen, sondern stattdessen auf seinen Körper hören. Lieber etwas weniger und dafür bewusster üben und sich von falschem Ehrgeiz verabschieden. Deine Entscheidung vom ersten Horn auf eine weniger exponierte Stimme zu wechseln, erscheint mir daher vernünftig. Selbst Lars Michael Stransky (Jahrgang 1966, Profihornist im wahrscheinlich besten Orchester der Welt) hat kürzlich auf das 4. Horn gewechselt, nachdem er zuvor 20 Jahre Solohornist war.
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Re: Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon triangle » Do 18. Jan 2018, 13:39

Hallo Kazim,

wenn Du schreibst "Je mehr ich übte umso schlechter wurde es" frage ich mich, an welchen Parametern Du Dein üben verändert hast. Die Technik Länger - Höher - Weiter geht nur bis zu dem Punkt, den Du selbst beschreibst: "die Lippenmuskulatur erholt sich nur sehr schwer".
"Back to the roots" ist aus meiner Sicht angesagt. Arbeite nicht an den Dingen, die irgendwann einmal gingen. Ich weiß nicht, wo Du ansatztechnisch einmal warst und wie es jetzt aussieht. Die Ausdauer auszubauen ist aber in jedem Stadium sehr ähnlich.
Nimm Dir etwas zum Üben vor, was Du relativ leicht bewältigen kannst und arbeite daran intensiv. Intensiv arbeiten heißt nicht von vorn bis hinten durchspielen - auf keinen Fall! Das wäre die Methode Länger - Höher - Weiter.

Erarbeite Dir einmal für 20 min ein Stück (z.B. den Teil einer Etüde) in kurzen Abschnitten von 2 bis 4 Takten und jeweils unterbrochen von tendenziell gleichlangen Pausen. Jede Phrase mehrfach wiederholen. Variiere in den Wiederholungen das Tempo - z.B. halbes Tempo in entsprechend kurzen Abschnitten.
Alles was die Ausdauer zuvor gefordert hat wird auf einmal leicht. Spielfehler reduzieren sich, weil der Ansatz locker bleibt.
Du wirst mit dieser Übetechnik nicht mehr in eine Überlastung laufen und gleichzeitig deine Ausdauer ausbauen. Geduld mitbringen. Jeden Tag üben - möglichst ohne Ausnahme. Mit der Zeit (nach einigen Tagen) ein wenig die Pausen zwischen den Phrasen reduzieren. Später punktuell auch 8 Takte oder noch später 16 Takte am Stück spielen um anschließend eine gleichlange Pause einzulegen.

Die Lerntechnik ist bekannt: Lernen durch wiederholen.
Schwierigkeiten durch kurze Abschnitte minimieren. Niemals mit Fehlern wiederholen. Die Fehler vom Kopf her verstehen und ausmerzen - ggf. indem man die Abschnitte nochmals vereinfacht.

Probier das einfach mal aus.

Viele Grüße
Andreas
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Re: Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon Alfons Vernooy » Fr 19. Jan 2018, 09:12

Der von Klangwelt erwähnte Muskelverlust stimmt gut überein mit dem arbeitsmedizinische Faustregel das ab 35en Jahr mit ein Verlust von 1% pro Jahr zu rechnen ist. Diese Fakten beziehen sich jedoch auf dynamischen Muskelarbeit, also auch auf den Muskeln womit Menschen ihren Mimik machen. Über denen braucht man sich weniger Sorgen zu machen als über den statischen Muskelarbeit die der Grundlage bildet für das Embouchure. Menschen sind nicht gut eingerichtet auf statischen Muskelarbeit. Deswegen viele unsere Schwierigkeiten beim Hornblasen. Statische Muskelarbeit trainiert man oft, kurz und unter relativ wenig Belastung, sonst wird vieles zerstört. Da hat Triangle wohl recht mit seinem Beratung.

Übrigens ist beim 2-4en Hornstimmen noch eine Welt zu entdecken, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Bekanntlich wird ein guten Hornsatz aufgebaut auf das Fundament das ein geschickter 2en oder 4en Hornspieler übertonreich anbietet und nicht abgeleitet von den heroischen ersten Horn.

Viel Spielfreude im angemessenem Arbeit wünscht

Alfons
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Re: Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon JohannesFahrrad » Fr 19. Jan 2018, 11:06

Ich würde mir über die Muskeln und deren Schwund im Alter nicht zu viele Gedanken machen! Und der Vergleich Musizieren = Sport ist nur bedingt belastbar. Hornspielen ist was anderes als Marathon laufen! Und zum Hornblasen braucht man eigentlich nicht so viel Kraft (von Extremen abgesehen). Gleichwohl ist es aber so, dass man mit zunehmendem Alter mehr Aufwand treiben muss, um das Level zu halten. Ein sehr wichtiger Bereich wurde hier noch gar nicht angesprochen: die Atmung! Auch das Lungenvolumen nimmt mit zunehmendem Alter ab, evtl. ist es daher an der Zeit, sich andere Atemstrategien etc. zu überlegen, öfter nachzuatmen, vielleicht einen Lungentrainer kaufen und die Lungenkapazität bewusst voll auszuschöpfen. Das erleichtert den Lippen die Arbeit immens.

Übrigens gibts in Profiorchestern durchaus Beispiele für Musiker, die ihr Top-Level durch Disziplin und Geschick bis ins Alter gehalten haben, etwa unser Prof, besonders eindrücklich aber auch Bud Herseth, Ed Kleinhammer, Dale Clavenger etc. aus dem Chicago Symphony (mit der wahrscheinlich besten Brass-Section der Welt:-)).

Herzliche Grüße
JohannesFahrrad
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Re: Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon Kazim » So 21. Jan 2018, 17:00

Liebe Forummitglieder,

Herzlichen Dank für Eure Antworten welche hilfreich und objektiv sind.
Für mich habe ich 2 Punkte herausgefunden:
1) Zum einen dürfte das Alter doch eine nicht unwesentliche Rolle zu spielen.
2) "back to the roots" erscheint mir sinnvoll, Geduld ist aber leider eine Eigenschaft mit der ich nicht allzu viel anzufangen weiß. Außerdem komme ich mir ein bißchen blöd vor "quasi von vorne" anzufangen. Aber es muss wohl sein.

Noch einmal schönen Dank für Eure Meinungen und Ratschläge !
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Re: Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon triangle » So 21. Jan 2018, 18:28

Hallo Kazim,
bitte nicht falsch verstehen. "Back to the roots" heißt nicht sich wochenlang mit Einsteigerübungen zu quälen.

triangle hat geschrieben:Erarbeite Dir einmal für 20 min ein Stück (z.B. den Teil einer Etüde) in kurzen Abschnitten von 2 bis 4 Takten und jeweils unterbrochen von tendenziell gleichlangen Pausen. Jede Phrase mehrfach wiederholen. Variiere in den Wiederholungen das Tempo - z.B. halbes Tempo in entsprechend kurzen Abschnitten.

Diese Übung holt Dich an der Stelle ab, an die Du Dich einmal heran gearbeitet hast. Nach 10-20 Minuten (je nach Deiner bisherigen Übepraxis) wird sich ein leichtes Kribbeln an den Lippen einstellen. Die Pausentakte verhindern das Erschöpfen der Ausdauer bzw. eine Verkrampfung der Muskulatur. Die Reduzierung auf eine kurze Phrase erleichtert die Konzentration auf wenige Aspekte in einem in sich abgeschlossenen Abschnitt => Luftführung, Finger, Notentext lesen bei fehlerfreier Ausführung... Das ist Lernen durch Wiederholen in Reinkultur.
Die Lippenmuskulatur bekommt über die gesamte Übungszeit den Trainingsreiz. Es entwickelt sich bei ausgeglichener Intensität in wenigen Tagen ein spürbarer Erfolg im Rahmen Deines in der Vergangenheit erreichten Bereichs.

Das fortgeschrittene Alter sehe ich übrigens nicht problematisch. Geduld und vor allem konsequente - also tägliche - Regelmäßigkeit ist aber erforderlich.

Viele Grüße
Andreas
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Re: Ansatz, Ausdauer, Alter

Beitragvon mille » Di 27. Feb 2018, 10:59

Es wird definitiv an der Technik liegen. Wahrscheinlich ist es eine Kleinigkeit, die du falsch machst, weshalb ich mir unbedingt einen Hornlehrer dazu holen würde, der dir genau sagen kann worin die Fehler liegen und wie du diese verbessern und beseitigen kannst
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