Ich habe eine Frage an die Musiker/Hornkollegen.
Es geht um Erfahrung versus Musikwissenschaft.
Wenn man sein ganzes Leben musiziert hat (in meinem Fall fast 60 Jahre) bekommt man einen "Blick" für die Schreibweise/Stimmführung einzelner Komponisten. Zum Beispiel kenne und liebe ich Mozart ganz besonders; wie hat er doch so geschickt und wirkungsvoll das Horn eingesetzt!
Nun gibt es jedoch Stücke - auch bei Mozart -, bei den das Bild nicht mit den Erfahrungen über einstimmt. Ein Beispiel ist ja die Sinfonie concertante für Bläser. Hier ist man ja auch inzwischen ziemlich sicher, dass dieses Stück in der bekannten Form nicht von Mozart ist (evtl. eine Gedächtnisrekonstruktion?).
Aber es gibt auch andere Stücke. Ein Beispiel ist für mich Mozarts Messiasbearbeitung. Nach musikwissentschaftlicher Quellenlage ist diese Fassung eindeutig von Mozart. Schaut man sich aber die Hornstimmen - besonders die zweite Hornstimme an, dann kommen einem doch Zweifel.
Natürlich hat Mozart gelegentlich, z.B. bei seinen Hornduetten, das kleine h oder sogar f eingesetzt, ( unterhalb c1) . Aber in Orchesterwerken hat er das praktisch niemals oder doch sehr selten gemacht.
Aber auch bei anderen Komponisten gibt es Zweifel. So scheint mit deutlicher Gewissheit das sog. Doppelkonzert von J. Haydn ja von Rosetti zu sein.
Ich habe eine Partitur eines Stückes von J. Haydn: "Pietà di me" für 2 Soprane, Tenor ,Englischhorn, Fagott , Horn und Orchester. Die Hornpartie ist die Schwierigste, die ich kenne.
Das Stück ist an sich sehr schön, aber fast unspiel- und singbar. Ich habe eine live Aufnahme mit Brain - das einzige Mal, bei dem ich den Eidruck habe, dass Brain gescheitert ist! Die Partitur entspricht überhaupt nicht meinem Haydnbild. Ich finde, obwohl es musikwissentschaftlich eindeutig Haydnt (H.C.R. Landon) zu zu ordnen ist, dass es vielmehr nach Myslivecek klingt.
Wie sieht Ihr diese Diskrepanz zwischen Erfahrung und Wissenschaft?