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Horn-Notation und Transposition in A

Do 29. Aug 2013, 12:20

Hallo.

Diese Frage geht vor allem an die professionellen Musiker in diesem Forum, aber vielleicht hat auch der ein oder andere in diesem Forum eine brauchbare Antwort.

Kürzlich habe ich mal die Ouvertüre von Rossinis Semiramide angehört und beim Mitlesen der Partitur bzw. Hornstimme ist mir aufgefallen, dass das 3. und 4. Horn an einer Stelle in A transponiert geschrieben ist.
Nun war mir von den diversen Mozart-, Haydn-, Beethoven- und bis hin zu den (wenigen) Parts bei R. Strauss in dieser Stimmung bekannt, dass diese ein kleine Terz tiefer klingt als notiert, also sog. "hoch".
Umso erstaunter war ich, als mir auffiel das gerade bei Rossini (der Part ist ja nun im Vergleich nicht höher oder schwieriger als andere der o.g.) das Horn "tief" gespielt wurde, also eine Terz + eine Oktave tiefer.
Gibt es dafür irgendeinen Grund, eine wissenschaftliche oder spielpraktische Überlieferung oder war das eine Laune des Dirigenten bzw. Orchesters (Leider weiß ich nicht mehr welches Orchester das war).
Ich würde mich freuen, wenn jemand dazu eine Antwort geben kann.

Liebe Grüße
Horn-Traum

Re: Horn-Notation und Transposition in A

Do 29. Aug 2013, 13:12

Hallo Horntraum,
besonders in Italien finden wir im 19.Jahrhundert gelegentlich B-basso, A-basso. As-basso ja, es soll sogar G-basso gegeben haben (Donizetti, Verdi, Bellini und eben auch dieses Rossini-Beispiel.. Das ist mit Naturhörnern eine ziemlich schwierige und "knurrige" Aufgabe. Die Entscheidung ob alto oder basso muss beim Studium der Partitur gefunden werden. Semiramis ist diesbezüglich schon immer eine Streitfrage gewesen. Wir haben es auch schon mal in alto probiert (sehr heiß!) aber es passt nicht in den Quartettsatz.
LG
Peter

Re: Horn-Notation und Transposition in A

Do 29. Aug 2013, 23:18

Danke soweit schonmal.

Gibt es irgendeinen Grund für diese Tradition? Warum gerade in Italien diese tiefen, und wie du sagst knurrigen Stimmungen/ Klänge, während doch sogar die Zeitgenossen weiter nördlich (gut zur damaligen Zeit eine halbe Weltreise entfernt) die strahlenden und brillanten Klänge des hohen Horns eingesetzt haben.
(Italien ist doch sonst für Brillanz und Virtuosität bekannt; auch an hohen Hörnern bzw. Hornisten dürfte es nicht gemangelt haben, vgl. Paganini Variationen über eine Thema von G. Weigl: freier Einsatz solo (wirklich und im wahrsten Wortsinn alleine!) und p auf dem h''...)

Aber ich bestätige deine Erfahrungen aus dem Hörbereich: Es klingt nicht seltsam oder störend, sondern passt ohne Einwand in den Gesamtklang. Ist halt für "Nord"- Europäer ungewohnt, wenn man das Schrift- und Klangbild vergleicht.

Servus
Horn-Traum

Re: Horn-Notation und Transposition in A

Fr 30. Aug 2013, 09:45

Hallo Horntraum,
Horn-Traum hat geschrieben:Gibt es irgendeinen Grund für diese Tradition? Warum gerade in Italien diese tiefen, und wie du sagst knurrigen Stimmungen/ Klänge, während doch sogar die Zeitgenossen weiter nördlich (gut zur damaligen Zeit eine halbe Weltreise entfernt) die strahlenden und brillanten Klänge des hohen Horns eingesetzt haben.

Wenn ich mal spekulieren darf:
Zunächst: Die hohen Hornstimmungen wurden hauptsächlich in Klassik angewendet- also vor denm Einsatz dieser tiefen Stimmungen.
In der Zeit der Romantik splittete sich der Gebrauch der Hörner in Solo-Aufgaben und in Orchester-Aufgaben. Die Solisten benützen lieber ein "Cor-olo" (G-Horn mt in der Mitte einschiebbaren F,E,Es und D-Bögen), Während man im Orchester die normalen Hörner mit Vorschaltbögen (vom hoch-C-Stift bis zum B-Basso bogen) und eines Couplers (gewissermaßen ein Verlängerungsbogen des Einführungsstutzen). Damit konnte man ziemlich flexibel kombinieren und notfals bis in die G-basso Stimmung kommen.
Es wäre auch möglich an die sog. "omnitonische Spieltechnik" zu erinnern. Das waren dann Hörner mit einem herrausnehmbaren Ventilstock (sauterelle) Diese Instrumente wurden kombiniert als Naturhorn und Ventilhorn eingesetzt. Die Basis war das Naturhornspiel . Die Ventile gebrauchte man zum blitzschnellen Umstimmen. Man findet das sehr ausgeprägt in der französischen Orchester-speziell-Opernorchesterliterartur des 19. Jahrh. (Bizet, Massenet u.a.)

In diesem Fall würde man z.B. ein C- oder B-bassobogen einsetzen und mit den entsprechend ausgezogenen Ventilen der sauterelle die tiefen Stimmungen realisieren.

Es könnte aber auch sein, das Ventilhörner der ersten Stunde vorhanden waren, aber die Komponisten sich der bis dato konventionellen, gebräuchlichen Hornstimmen-Notationsweise befleissigten. Beispiele aus dem 20.Jahrh. Richard Strauss

Re: Horn-Notation und Transposition in A

Fr 30. Aug 2013, 20:43

Da liegt Ihr wahrscheinlich alle nicht ganz richtig mit Euren Vermutungen. Da ich selbst
eine ziemlich große Zahl komplett bestückter Naturhörner besessen habe (sind jetzt alle in Kremsegg im Museum),
müßte ich schon einen tief A Bogen oder gar tief As-Bogen oder eine allerdings äußerst wackelige und schlecht
zu handhabende Kombination von Bögen gesehen haben, mit denen man tief-A & tief-As spielen konnte. Zu Verdis
Zeit gab es auch bestimmt keine Bögen oder Bogenkombinationen für diese tiefen Stimmungen. Einen tief B-Bogen aus viel späterer Zeit hatte ich für ein Horn. Ein fürchterliches Ungetüm !

Warum hat nun Verdi diese Stimmungen eingesetzt ? Natürlich um der damals noch immer üblichen Lesegewohnheit
der Hornisten (saubere Stimmen ohne viele Vorzeichen trotz A-Dur, As-Dur und E-Dur), weil man ja transponierte. Nichts anderes. Mit derartig langen Hörnern kann man nicht vernünftig spielen. Man konnte es damals noch weniger, da sich die Spieltechnik in der Zwischenzeit ungeheuer gesteigert hat. Bei Verdi war es wohl der gleiche Grund wie nach ihm noch bei Richard Strauss. Zugegeben, wenn man nicht im Transponieren geübt ist, wird es brenzlig. Wenn man aber in der Transponiererei sattelfest ist, gibt es keinerlei Probleme.

Und für hohe Hörner (hoch A und As) gibt es bei Rossini und Donizetti genügend Stellen. Wenn das (meist) vom zweiten Hörnerpaar leicht gespielt wird, also a la Italiana , dann klingt das schon schön silbrig, obwohl es doch nur
Begleitung ist. Seht doch das Horn als Blechbratsche.

Ich muß mir die Ouverture zu Semiramis noch schnell ansehen. Pause.
In der Ouverture sind alle vier Hörner in D. - Da solltest Du mir einen Hinweis geben, an welcher Stelle Du
Zweifel hast, damit ich nicht die ganze Oper durchsehen muß. Morgen kommt sicher eine bessere Antwort, da ich gerade meinen Gewährsmann in Florenz per email befragt habe. Er war wie ich auch 40 Jahre lang Solohornist in der Oper.

Noch etwas: wo sind denn die erwähnten Beispiele, daß es nördlich der Alpen zur gleichen Zeit viel mit hohen hörnern gab ?? In der schon angesprungenen Romantik, ooops, gab es schon hohe Stellen - für die ersten Hornisten,
aber kaum für den ganzen Hornsatz. Ausnahmen bestätigen die Regel. Erst Strauss hat dann das ganze Spektrum wieder ausgereizt. Wenn das erste Horn wie bei Wagner mal über das g2 hinausgeht, naja, geschieht das nicht sehr oft. Im Meistersinger hat er es auch mit dem hoch-A.

Re: Horn-Notation und Transposition in A

Sa 31. Aug 2013, 09:10

Antwort aus Florenz:

Donizetti & Rossini: immer A & As hoch !!!!

Jetzt gibt es auch Klarheit nach Einsicht in die Partitur:
3. & 4. Horn wechseln im weiteren Verlauf der Ouvertüre zu Horn in A, natürlich NICHT A-basso.
Mit regulärer A-Transpos. liegen 3. & 4. Horn wie oft bei Rossini teilweise über Horn 1 & 2. Das
ist aber hier wie sonst nur bei Begleitfiguren. Teilweise läuft das sogar unisono mit den D-Hörnern.
Teilweise ! Vielleicht wollte Rossini nur die Klangmischung.

Im weiteren Verlauf wechseln Horn 3 & 4 wieder zu D-Horn.

Auch wenn es manchem nicht paßt: hier paßt A-basso keineswegs, da die Eleganz der Ouverture gestört würde.
Und die paar gis wird der dritte noch "herausquetschen" können. Heute sollten auch die dritten Hornisten das gis2 ständig in ihrem Repertoire haben. Sie haben es auch meist sehr sicher !!!! Aber "tief-A" hier, nitschewo !!!

Re: Horn-Notation und Transposition in A

So 1. Sep 2013, 11:13

Prof hat geschrieben:Da liegt Ihr wahrscheinlich alle nicht ganz richtig mit Euren Vermutungen.



lieber Hans,
ich hatte - jetzt im Besitz von Ulli Hübner - ein1 Cor d‘Orchestre von 1868 im Original Holz-Kasten
Raoux Fournisseur de l‘empereur, rue Serpent à Paris
1er Prix decerné à J. Mellet 1868
Conservertoire impérial de musique et de declamation
mit dem Siegel von Auguste Raoux
komplett mit 10 Vorschaltbögen, 2 Kuppler und einen einschiebbaren Ventilstock (sauterelle), französisches System (3. Ventil einen Ganzton aufwärts) von Millerau breveté Paris Nr. 6071 plus 4 Vorschaltbögen und C-alto-Stift
absoluter Bestzustand.

Das Horn ist fantastisch! Der längste Bogen ist ein ein eleganter vierfach gewickelter B-Bassobogen, der gut ansprach.
Mit den beiden Kupplern konnte man noch tiefere Stimmungen mit verhältnis wenig Wackellei erreichen - eben A-basso, As-basso und sogar G-basso.

Meine Spekulatione über die tiefen Stimmungen z.B. bei Verdi, decken sich ja mit Deinen Ansichten.

Bei der Siramide Overture bleibe ich aber bei meiner Meinung.

Die Ouverture ist 1823 entstanden, also für Naturhörner, was Du ja auch nicht bestreitest.
3.und 4. Horn teilweise in A und da gibt es schon heisse Töne - nicht im Tutti Wir haben es mit unserem Orchester mal probiert und Du wirst gewiss nicht behaupten, dass wir es nicht hätten spielen können. Die einhellige Meinung aller Orchestermitglieder und vor allem des Dirigenten war, dass es nicht passt.

Das Stück wird viel gespielt und es gibt unzählige Aufnahmen. Kannst Du mir eine Aufnahme benennen, bei der das 2. Hörnepaar in alto gespielt hat?

Selbst bei der Vorbildaufnahme in youtube mit den Wiener Ph unter Muti spielen das 2. Hörnerpaar im A-basso!

Re: Horn-Notation und Transposition in A

So 1. Sep 2013, 21:49

Uff.
Das ist viel Hornbautechnik und sagt mir jetzt leider gar nichts. Ich komme gerne mal vorbei und schaue mir eure Hornsammlungen persönlich an um mir ein Bild von den verschiedenen und offensichtlich (das habe ich kapiert...) unterschiedlichen Bauweisen und Einsteckbögen zu machen. Das nehme ich zu Kenntnis so wie ihr es schreibt, vielleicht hilft mir bei passender Gelegenheit die gute Tante Google weiter...
Aber, lieber Prof., hier sprichst du mir aus ganzem Herzen. Die hohen, brillanten Hornklänge haben schon etwas und klingen einfach nur Hammerg... (das zweite Wort passt hier ausdrucksmäßig nicht hin) und ich freue mich zu hören, das auch bei Rossini hoch-A Hörner verwendet wurden, was - wie Peter sagt - sich aber in den Orchestern offensichtlich noch herumsprechen muß - wie gesagt, auch ich würde dieses Stück (Semiramide) gerne mal in der alto-Version hören.

Was ich meinte mit hohen Hörnern in Nordeuropa, waren die diversen Partien (in A vor allem) bei Mozart, Beethoven; Schubert schreibt in seiner 4.Sinfonie im 2 Satz ein As-Horn (hoch und deftig heikel - habe die Sinfonie zu seligen Geigenzeiten mal gespielt). Daher erschien es mir verwunderlich warum alle (Mitteleuropäische) Welt den Hornsatz und besonders das 1. resp. 3. Horn bis in die eingestr. und an/in die zweigestr. Oktave führt, während Rossini seine eher heitere Musik mit dem tiefen Gebrummel aus der kleinen Oktave "bereichert". Deshalb auch meine Frage.

Abschließend noch eine weitere Frage: Woher kommt es, daß sich die Hornstimmung so nach unten verschoben hat am Ende der Klassik? Selbst bei Haydn und Mozart sind ja nun beileibe nicht alle Sinfonien in hoch A, B, H, C in extremen Lagen für das (erste) Horn. Warum also dann der "Abrutsch" von der Altlage in die Tenorlage - abgesehen von der Einführung der Ventile und der damit entstandenen vollständigen Skala?

Lg

Re: Horn-Notation und Transposition in A

Mo 2. Sep 2013, 08:27

Hallo!

Andrew Clark schreibt auf seiner Homepage http://www.naturallyhorns.co.uk in seinem "Hornquiz":

What is the lowest crook scored for? By whom and in which composition?
Antwort: G basso, Donizetti, Lucia di Lammermoor (1835)

Ich bin mir sicher, dass Andrew Clark das nicht einfach so schreibt, sondern sich informiert hat.

Außerdem würden bei der besagten Arie aus Lucia in g-alto (wie schon der Prof.) in einem Beitrag angemerkt hat, Horn 3 und 4 über Horn 1 und 2 liegen, was sich nicht wirklich gut anhört.
Dass g-basso knurrt, liegt in der Natur der Sache.

Schöne Grüße vom Kap_Hoorn

Re: Horn-Notation und Transposition in A

Mo 2. Sep 2013, 15:04

Lieber Kap_Hoorn !

Glaubst Du im Ernst, daß das Bühnenhorn im Falstaff (siehe Clarks Quiz) für ein Naturhorn in As-basso
komponiert wurde ? 1893 ???? Die Geschichte mit der G-basso Naturhorn in der Lucia werde ich prüfen.
Die Partitur habe ich schon heruntergeladen, muß sie nur noch ausdrucken. Ich jedenfalls habe noch nie einen G-basso-Bogen
gesehen, kenne aber fast alle interessanten Musikinstrumentenmuseen in aller Welt. Ich prüfe das jetzt und werde mich
dann äußern.

Clark hat noch andere Ungereimtheiten bei seinem Quiz: z.B. Frage 18: welches ist der 16.Naturton auf einem Es-Horn ?
Seine Antwort: ein c3. Es kann aber nur ein notiertes c3 sein, das aber als es2 klingt. Das notierte c3 ist auf jedem Naturhorn
der 16.Naturton (nicht Oberton), wenn der Grundton als No.1 steht : C - c - g - c1 - e1 - g1 - b1 - c2 - d2 - e2 - f/fis2 - g2 -
gis/a2 - b2 - h2 - c3. Klingt eben auf jedem Horn je nach Stimmung anders. Auf den ganz kurzen Hörnern zB. B-hoch und c-hoch
wird es extrem schwer, den 16.Ton zu erreichen, während es bei den tieferen Stimmungen immer leichter wird, weit über das
notierte c3 hinaufzugehen. Es wird dann mit der Ziererei ziemlich heikel.

Bei den Hornakkorden kennt Clark auch nicht die Konzerte von Suttner & Ethel Smyth. Es gibt noch mehr davon.

Jetzt schau ich mit die ucia an.
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