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Czerny Horntrio Op. 105

Fr 18. Nov 2016, 11:33

Hallo,

nachdem ich jetzt eine Frage habe, beende ich das mehrjährige ausschließliche Mitlesen, habe einen Account erstellt und schieße los:

Derzeit arbeite ich mit meiner Frau und einem Freund an dem oben genannten, leider relativ unbekannten Werk. Bei Youtube gibt es leider nur eine Live-Aufnahme, und die professionelle mit Radek Baborak ist nicht legal vollständig zu hören, ohne sich die CD zu kaufen. Auch die finde ich musikalisch nicht vollständig überzeugend und hätte unheimlich gern eine von Sarah Willis gehört, aber das ist unerheblich.

Die Frage, die wir nicht in der Lage waren, endgültig zu beantworten, ist: Hatte Czerny bei der Komposition ein Naturhorn im Kopf oder eines mit Ventilen? Und wenn letzteres, ist es eines der ersten dediziert für Ventile geschriebenen Stücke überhaupt? Ich selbst hatte noch nie ein Naturhorn in der Hand, kann mir aber schlecht vorstellen, dass das Stück mit einem zu spielen ist.

Laut Edition Silvertrust hat Czerny das Stück 1827 geschrieben, um es mit einem Freund und Landsmann Johann Janatka aufzuführen. Damit ist es ca. 40 Jahre älter als das von Brahms, welches definitiv für Naturhorn geschrieben wurde, und 3 Jahre jünger als die 9. Sinfonie von Beethoven, bei der offenbar eine Weile diskutiert wurde, ob das 4. Horn vielleicht für Ventilhorn geschrieben sei. Das wiener Pumpenventil war noch nicht erfunden, aber es gab definitiv bereits Ventilhörner anderer Bauart.

Konkret halte ich folgende Passagen für schwer bis unmöglich auf einem Naturhorn (alle Angaben in F, da es so notiert ist):

Persönlich wäre ich natürlich bei einem Großteil des Werkes aufgeschmissen, wenn ich es auf einem Naturhorn spielen sollte (Bin Laie), aber Menschen, die mit den Dingern umgehen können, haben mich schon einige Male sehr damit beeindruckt, was auf ihnen möglich ist, zB mit der grandiosen Aufnahme der reichaschen Trios durch die Deutschen Naturhorn Solisten, insofern lasse ich mich gern eines Besseren belehren.

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Und eine Bonusfrage am Rand: Das Hornkonzert von Franz Strauss ist auch für Ventilhorn geschrieben, richtig? Wobei ich dem noch eher glauben würde, für Naturhorn zu sein.

Re: Czerny Horntrio Op. 105

Mi 23. Nov 2016, 15:19

Hmm, hat niemand eine Meinung, ob die genannten Passagen auf einem Naturhorn spielbar sind? Schade!

Re: Czerny Horntrio Op. 105

Mi 23. Nov 2016, 23:41

Lieber Hornwolf,

im schwäbischen gibts eine Redensart: mr ka ao a Goiß am Schwanz romlupfa (wenn'r ed abgoht...)

Also speziell die von Dir angefragte Tonleiterstelle ist mit dem Naturhorn nicht annähernd passabel darstellbar, weil in dieser tiefen Lage der Abstand der Naturtöne zu weit auseinanderliegt. Man kann im Prinzip jeden Naturton durch Stopfen um einen Halbton erhöhen und durch Dämpfen um einen Halbton vertiefen. Außerdem kann man die Töne mit entsprechende Lippenspannung "verbiegen" und diese Techniken auch kombinieren. Das alles aber natürlich mit klanglichen Beeinträchtigungen, nicht in jedem Tempo und eben nicht in jeder Lage.
Es wäre tatsächlich interessant, ob Cerny hier seiner Zeit ein wenig voraus war und die Möglichkeiten des Ventilhorns im damaligen Entwicklungsstadium (ähnlich wie Robert Schumann) überschätzt oder einfach nicht so viel vom Horn verstanden hat?
Hast Du denn Informationen darüber, ob es zeitnah zur Entstehung zu einer Aufführung gekommen ist?

Das Solo in der 9. Beethoven ist überhaupt nicht problematisch auf dem Naturhorn.

Das Brahmstrio wurde entgegen der vom Komponisten ausdrücklich gewünschten Verwendung eines Naturhorn mit einem Ventilhorn uraufgeführt, wie Clara Schumann an Brahms schrieb (...der Hornist war nicht zum Waldhorn zu bewegen...).

Strauss 1 ist für Ventilhorn geschrieben ( geht aber -notfalls- auf dem Naturhorn)

Vielen Dank für den Hinweis auf dieses mir bisher unbekannte Stück !

Re: Czerny Horntrio Op. 105

Do 24. Nov 2016, 00:07

Danke für die Antwort! Leider scheitere ich dabei, das Sprichwort ins Hochdeutsche zu übersetzen :(

Über den Artikel bei Edition Silvertrust hinaus habe ich keine spezifischen Informationen über das Stück, aber laut dieses Artikels ist es 1828 aufgeführt worden. Czernys Verleger hat dann aber darauf bestanden, es als klassisches Klaviertrio (mit Cello statt Horn) zu veröffentlichen, und ich kann natürlich nicht ausschließen, dass Teile der Cellobearbeitung zu einem späteren Zeitpunkt in der Hornpartie gelandet sind.

Beethoven hatte ich wegen dieses Artikels erwähnt, aus dem hervorgeht, dass es unklar ist, ob es 1830 überhaupt ein Ventilhorn in Wien gab (unter anderem, da, wie Du sagst, inzwischen belegt ist, dass man für die 9te keines braucht).

Das Trio ist meiner Meinung nach sehr schön. Für das Horn sehr dankbar und bewegter als das von Brahms, für die Geige ein bisschen leichter... und für das Klavier wohl albtraumhaft, da die Klavierstimme offenbar eine komprimierte Best-Of Sammlug der czernyschen Etüden darstellt, mit denen die meisten, die auf einem Niveau spielen, dass sie das Trio anpacken könnten, als Jugendliche ausgiebig gequält worden sind.
Zuletzt geändert von Lupus Cornum am Mi 30. Nov 2016, 17:46, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Czerny Horntrio Op. 105

Do 24. Nov 2016, 17:26

Die Ventile wurden Anfang des 19.Jahrhunderts erfunden. Sie haben sich anfangs nur schwer durchgesetzt. Zu perfekt beherrschten die Hornisten damaliger Zeit die Modulationstechnik mit der Hand. Und wenn man schon ein Ventilhorn hatte, dann benütze man die Ventile zum schnellen Transpositionswechsel.

Was nun Czerny anbetrifft, so glaube ich, dass er zeitbedingt mehr das Naturhorn im Sinne hatte. Er hat mindestens 5 Werke für Horn und Klavier komponiert. Am bekanntesten ist das Andante und Polacca. Er schreibt hier ein E-Horn vor, was für mich Naturhorn bedeutet, da die ersten Ventile in F-Hörner eingebaut wurden.

Nb: Das Naturhorn war in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts bei Pianisten/Komponisten sehr beliebt: Beethoven, Ries, Czerny, Moscheles, Kalkbrenner usw.

Re: Czerny Horntrio Op. 105

Do 24. Nov 2016, 18:14

Peter hat geschrieben:Die Ventile wurden Anfang des 19.Jahrhunderts erfunden. Sie haben sich anfangs nur schwer durchgesetzt. Zu perfekt beherrschten die Hornisten damaliger Zeit die Modulationstechnik mit der Hand. Und wenn man schon ein Ventilhorn hatte, dann benütze man die Ventile zum schnellen Transpositionswechsel.

Was nun Czerny anbetrifft, so glaube ich, dass er zeitbedingt mehr das Naturhorn im Sinne hatte. Er hat mindestens 5 Werke für Horn und Klavier komponiert. Am bekanntesten ist das Andante und Polacca. Er schreibt hier ein E-Horn vor, was für mich Naturhorn bedeutet, da die ersten Ventile in F-Hörner eingebaut wurden.

Nb: Das Naturhorn war in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts bei Pianisten/Komponisten sehr beliebt: Beethoven, Ries, Czerny, Moscheles, Kalkbrenner usw.

Danke für die Antwort!

Das ist in der Tat spannend. Ich habe mir eben fix den Notentext des Andante und Polacca bei IMSLP angeschaut, und er erinnert in der Tat wesenlich mehr an klassische Hornstücke von Mozart, Duvernoy etc. als das Trio - der Tonumfang ist wesentlich enger begrenzt, und die Motivik beschränkt sich im Wesentlichen auf notierte C-Dur-Dreiklänge, Tonleitern und die None g'-as'', und das in einem Stück, das fast genau 20 Jahre später geschrieben wurde.

Soll das heißen, dass Du, Peter, die auf einem Naturhorn unspielbaren Passagen auf entweder kompositorisches Versagen oder aber eine spätere Adaption zurückführen würdest?

Re: Czerny Horntrio Op. 105

So 18. Dez 2016, 19:57

Nachtrag: Die vom Verlag Amadeus herausgegebene Version enthält tatsächlich eine nachbearbeitete Stimme. Im Vorwort steht, das Original sei "schlicht und bescheiden" gewesen, und Peter Schmalfuss habe unter getreuer Verwendung von Original-Horn- und Cello-stimmen eine neue konzipiert, die "modernen Anforderungen konzertanten Hornspiels von heute gerecht" werde.

Da hätte ich wohl früher in das Notenheft schauen müssen. Zu meiner Verteidigung, es lag beim Pianisten.
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