Sa 4. Dez 2010, 00:32
Hallo lieber Phoenix884!
Hier noch eine sehr persönlich gefaßte Meinungsäußerung von mir, einer engagierten Amateur-Hornistin mit über 25 Jahren Praxis in div. Kammermusikformationen und Sinfonieorchester, sowie Tanz-, Film- und U-Musik:
Eine Instrumenten-Neuanschaffung will wohl überlegt sein, ist aber gewissermaßen auch immer, wenn auch nicht ausschließlich, eine Frage des guten Geschmacks. Denn eigentlich, seien wir doch einmal objektiv und ehrlich, ist es bis zu einem gewissen Grade egal auf was für einem Horn wir spielen. Gurken von hervorragenden oder mittelmäßigen Kollegen gibt's auf guten, teuren und schlechten, billigen Instrumenten. Bei wahren Liebhabern und Könnern - und das sind wir doch alle auf unsere Art - ist es keine Frage der Marke oder des Materials, da geht auch bei oder nach "Nacht und Nebel" auf einer Gießkanne eine bezaubernde Kantilene.
Für ein Probespielen mehrerer Instrumente nimm Dir bitte viel Zeit, warum nicht auch mal für ein Instrument mehrere Tage? Viele Händler, auch im Internet, ermöglichen das heute problemlos. Warum nicht einen guten Freund/Kollegen/Lehrer zu Rate ziehen, auf dessen Rat man evtl. auch zu hören gewillt ist. Peter hat das als Phänomen "Input vers. Output" mehrmals schon beschrieben, gemeint ist, daß in anderer Leute Ohren vieles auch anderst ankommt, als es von uns selbst gehört wird.
Der abschraubbare Schall ist m.E. beim Doppelhorn völlig unproblematisch, da bereits so viel Masse darin verbaut ist, daß die paar Gramm (und mehr wiegt ein Schraubring heute nicht mehr) klanglich überhaupt nichts ausmachen, an der Intonation schon gar nicht. Das gleiche trifft auch auf den Lack zu, beim Doppelhorn ist hier ein hörbarer Unterschied nicht mehr auszumachen. Beim Einfach-, Wiener- oder Naturhorn ist das jedoch geringfügig bis gewaltig anders. Gut - und das ist auch schon das einzige Problem - lackierte Doppelhörner sind minimalst pflegeintensiv, unlackierte Oberflächen erfordern dafür gewissenhafte und regelmäßige Pflegebereitschaft (Mikrofasertuch). Ideal wäre natürlich die galvanisch veredelte Oberfläche.
Das Material ist wieder eine Geschmacksfrage, die für uns subjektiv im Klang sehr viel ausmacht, objektiv gehört, allerdings nicht so sehr. Vielmehr verändert sich mit dem Material einerseits evtl. das Gewicht und andererseits wohl das Abstrahl-Verhalten des Klanges und für uns als Bläser somit die gesamte (zeitliche) Ansprache des Instrumentes. Viele Hornisten, vor allem im Profi- und semiprofessionellen Bereich, wählen deshalb den abschraubbaren Schallbecher und benutzen darum mehrere Schallbecher aus verschiedenen Legierungen, je nach Aufgabenbereich. Tendenziell kann man sagen, daß weit über 50% aller Hornisten mit Messing gut bedient sind, die anderen brauchen mehr Widerstand, der mit Goldmessing, Neusilber und ggf. Sterlingsilber (in dieser Reihenfolge) ansteigt. Das Mundrohr jedoch sollte aus Gründen der Speichelunempfindlichkeit mindestens aus Goldmessing sein, leider beobachte ich, daß auf dem asiatischen Markt das nicht immer obsolet ist - also Hände weg davon! Für Kammermusiker und Freunde historisierter Aufführungspraxis gibts auch immer öfter einen Schallbecher in der "handgehämmerten" Variante historischen Zuschnitts, der Prof. hat in einem benachbarten Thread schon erklärt, was das ist; dieser scheint aber nicht für jeden geeignet, da heißt es ausprobieren. Selber blase ich seit Jahren ein Instrument aus Goldmessing und ich fühle mich damit sehr wohl. Letztes Jahr probierte ich bei Engelbert Schmid nur einen Schall in Sterlingsilber aus, subjektiv ("Input") empfunden absolut traumhaft, objektiv (output) gehört sehr gefährlich, da man plötzlich an grenzwertige Dynamikbereiche gelangt und die Ansprache (verzögert) einiges an Eingewöhnung verlangt.
Im Großen und Ganzen empfinde ich persönlich, daß Form und Beschaffenheit von Mundstück und Schallbecher das meiste am Klang positiv wie negativ beeinflussen. Eine gut durchdachte Maschine (siehe Peters Beitrag) und ein physikalisch einwandfreier Rohrverlauf vom Mundrohr bis zum Schall begünstigen sowohl Spielfluß (Geschwindigkeit), Ansprache der einzelnen Töne und Intonation. Gegen hilflose, beratungsresistente und intonationsschwache Instrumentalisten (kann man alles üben) ist jedoch noch kein Kräutlein
gediehen.
Ich wünsche Dir Glück,
Bussi, BEATE

P.S.: Du hast ein bedeutungsvolles Motto: "Libenter homines id, quod volunt, credunt." = "Gerne glauben die Menschen das, was sie wollen." Preisfrage, von wem und woher stammt es?