Fragen und Antworten zu Übungsmaterial, Literatur und Aufführungspraxis,..
Diskussionen rund ums Horn,...
...
So 23. Jan 2011, 21:50
Aus gegebenem Anlaß:
Muß es eigentlich sein, daß Leihmaterial (Orchestermaterial) von den Kollegen so stark verschmiert wird, daß man es keinem Leihnehmer mehr anbieten kann ? Hat denn kaum noch jemand irgendwoher gelernt oder erfahren, wie man Stimmen einrichtet ? Anscheinend nicht.
Bei Kürzungen werden die gestrichenen (übersprungenen) Takte nicht durch "vi= =de" gekennzeichnet sondern brutal ausgestrichen. Nicht durch einen schlichten Schrägstrich sondern durch Gesamtschraffierung. Die Streicherstimmen werden so stark mit Strichmarkierungen gefüllt, daß man kaum noch die originalen Noten lesen kann. Ich habe schon Noten zurückbekommen, bei denen in den Bläserstimmen, wenn sie zu transponieren waren, die Notennamen ausnahmslos eingetragen waren.
Das waren aber nicht Ausleihen an, wie Ihr denken mögt, Amateurorchester, nein an sehr gut bezahlte Profiorchester. Amateurorchester sind da viel respektvoller vor dem Gut anderer Menschen, während leider viele unserer professionellen Zunftgenossen keinerlei Respekt zu haben scheinen.
Was wird das Resultat sein ? Atmet kurz durch und ratet einmal. - Natürlich , wenn überhaupt noch verleihen Sinn macht, wenn man das Material anschließend wegwerfen kann, werden die Leihkosten auf das Dreifache erhöht werden müssen (Wiederherstellungskosten: nicht nur das Kopieren sondern auch das Falten und Heften, usw. und die Zeit dazu !) oder es wird nur mehr Kaufmaterial geben, allerdings mit Preisen wie bei den bekannten französischen Verlagen.
Eure Meinung dazu würde mich wohl interessieren. Ich nehme allerdings nicht an, daß Ihr Euch als Leihnehmer angesprochen fühlt. Das hatte ich nicht vor. Obiges ist auch noch nie bei Freunden aus dem Forum vorgekommen.
Mo 24. Jan 2011, 12:12
lieber Hans,
ich stimme Dir ohne wenn und aber vollkommen zu.
Für mich hat das "Geschmiere" in den Leistimmen allerdings auch eine gewisse Aussagekraft.
Früher war es üblich, sich am Ende der Notenseiten mit Datum zu "verewigen" Das fand ich dann doch auch manchmal interessant. Die übertriebenen Eintragungen lassen auch manchen Schluß auf die vorhergehenden Hornisten und Interpretationen zu. Besonders interessant fand ich das Problem mit den Transpositionen, wie schon mal früher hier im Forum dargelegt.
Die Amerikanischen Ausgaben nach dem 2. Weltkrieg waren Reprints von Peters oder Breitkopf Ausgaben plus einer nach F transponierten Fassung. Wenn man diese Leihmaterial-Stimmen auf dem Pult liegen hatte, fiel auf, dass die Originalstimmen in gewohnter Weise "verschmiert" waren, während die F_Stimmen sich "Jungfäulich" darstellten.
Was bedeutet das: Jeder Profi hat von der Originalstimme gespielt und nicht von der scheinbar leichter zu lesenden F-Stimme. Ich muss jetzt nicht die vielen Vorteile des Transponierens wiederholen, aber ich habe diese Geschichte immer und immer wieder meinen Studenten/Schülern vorgetragen, damit sie den Sinn und die Vorteile des Transponierens begreifen.
Mo 24. Jan 2011, 15:24
Als ich vor einigen Jahren den Liebestrank von Donizetti gespielt habe, bekam ich auch solche Noten. Komplett vollgesudelt, für mich großteils nicht mehr zu entziffern. Glücklicherweise alles mit Bleistift, aber ich war trotzdem eine Stunde mit Radieren beschäftigt, bevor die Probenarbeit beginnen konnte.
Di 25. Jan 2011, 10:50
Wie sieht eigentlich die rechtliche Situation mit Arbeitskopien aus? Bei meinen Vereinen gibt es zu allen Stücken die Originale im Archiv. Auf Grund der Fluktuation etc. ist das im Privatbereich die einzig sinnvolle Möglichkeit, welche im Übrigen viel Zeit und Mühe erspart.
Winterliche Grüße
Günther
Di 25. Jan 2011, 14:51
Leihmaterial wird überlicherweise ausradiert zurückgegeben. Dafür gibts ja bspw. die Bibliothek oder Hilfskräfte.
Als Verleiher gehört dieser Passus in die Geschäftsbedingungen, denn beschriftetes Material ist genauso anzusehen wie beschädigtes und kann entsprechend zusätzlich abgerechnet werden.
Und, ja, auch heute noch verewigt man sich in der manchmal ewiglangen Liste auf der letzten Seite der Noten mit Namen und Datum.
Mi 26. Jan 2011, 22:31
Mitnichten, lieber George, mitnichten ! Bibliothekare kümmern sich oft einen "feuchten Sand" darum, wie das Leihmaterial zurückgeschickt wird, d.h. es wird kaum ausradiert. Als direkt Betroffener stört es mich gar nicht, wenn ein Material "eingerichtet" wird, aber dann vorsichtig und sauber. Kleinere Häuser können sich diese Hilfskräfte nicht leisten. Es geht auch nicht darum, diese "Reparaturen" durchzuführen, sondern um das anständige Einrichten z.B. bei Sprüngen mit "vi=" und "=de" schön jeweils auf dem Taktstrich. Aber es geht absolut nicht, daß Musiker gesprungene Takte einfach "ausschraffieren". Das Material wird auch durch massives Radieren nicht besser.
Die Namen am Ende der Stimme sind oft sehr interessant, z.B. wenn da in der ersten Hornstimme der Carmen steht:
Günther Högner, Roland Berger, Gerd Seifert, Norbert Hauptmann, H.Piz., usw. oder in der alten Götterdämmerungstimme:
Suttner, Hoyer, Schantl, Stiegler, .... Eine wunderbare Quelle für Historiker und Biographen. ... Und dann womöglich zusätzlich die Aufführungstage mit den Dirigenten oder besondere Anlässe oder Vorfälle: Trobadour in München .... 1989 .. Revolution in Rumänien; alte Beethoven-symphonien mit Unterschriften von Sendelbeck & Franz Strauss; Tristan & Isolde mit der Überschrift :
"gemischte Waren" - Handlung in drei Aufzügen ...., Götterdämmerung (Wiener Stimmen) .... 1944 letzte Vorstellung vor dem Opernbrand.
Diese Einträge sind eher eine Bereicherung denn böswillige Beschädigung.
Aber, liebe Kollegen, denk ein wenig an die Bibliothekare und die Verleger, wenn Ihr Stimmen einrichten müßt: so sparsam wie möglich, trotzdem übersichtlich auch für einen (nicht geprobten) Einspringer, nicht störend, auch einfach entfernbar.
Powered by phpBB © phpBB Group.
phpBB Mobile / SEO by Artodia.