Mozarts K.407 Quintett

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Re: Mozarts K.407 Quintett

Beitragvon Martin2 » Do 26. Nov 2009, 17:19

@ Robert:

Ob Bärenreiter schwindelt, oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich glaubs Dir einfach.
Was den reinen Notentext angeht: Alle meine Platten- und CD- Aufnahmen (sind allerdings nur fünf verschiedene) stimmen mit dem Bärenreiter- Text überein.


Allgemeine Frage: Wie stehts denn mit der "künstlerischen Freiheit" in puncto der Betonung von Auftakt und der "1"? (Meine obige Bemerkung, daß man die Betonung des Auftaktes umgehen kann, bedeutet ja nicht, daß man das auch muß. Ich habe bis dato ebenfalls immer beide Noten gleich stark betont, weil weil ich der Meinung war - und immer noch bin - daß eben dieses richtig sei.)
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Re: Mozarts K.407 Quintett

Beitragvon www_corno_de » Do 26. Nov 2009, 21:41

Schwindelt bitte nur auf die Aussage"Urtext" zu verstehen.

Unterschiede gibt es z.B. im 2.Satz Takt 25 im Horn, ebenso später die beiden Sprünge über 2 Oktaven b - b2 und g - g2, das nur mal für einige Beispiele, es gibt noch mehr.

Als Musikverleger bin ich natürlich angehalten, möglichst genau die Quelle wiederzugeben, persönlich bin ich gegen zu stark personalisierte Solisten-Ausgaben. Das ist zwar im ersten Moment stressfrei, man spielt so wie Peter Damm oder Hermann Baumann. Das kann aber auch zur vollkommen Rübe-ausschalten Mentalität erwachsen, sprich, der Notentext wird weder im Kontext gesehen und es wird auch kein Werk für sich erarbeitet.
Ansonsten - mache Musik. Stehe zu deiner Interpretation, wobei das Wissen und Geschmack beinhalten sollte. Und bleib originell. So manche Aufführungspraktiker sind tödlich langweilig.
Robert Ostermeyer Musikedition
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Re: Mozarts K.407 Quintett

Beitragvon Prof » Do 26. Nov 2009, 22:50

Lieber Robert !

Es waren eben oft keine Hornisten an den Ausgaben beteiligt, - dabei meine ich "echt" erfahrene Hornisten mit der entsprechenden Erfahrung als Solist. Das war beim Naturhorn etwas anders als jetzt beim Doppelhorn z.B. Wichtig ist nur, daß diese unterschiedlichen Artikulationen nicht "wörtlich" genommen werden. Der Hornist sollte sich etwas an den Streichern orientieren. Früher mußte jeder Bläser an der Hochschule auch ein Streichinstrument als Nebenfach belegen. Ich habe z.B. eine ganze Geiger- und Bratscherausbildung genossen. Das kam mir in der Musizierpraxis sehr zu gute.

Zu den alten Ausgaben:

So unterschiedlich sind die Ausgaben des K.407 gar nicht. Andre hat am meisten herumgemurxt. Bei ihm fehlen ganze von ihm als Hornisten einfach zur Erleichterung des Durchhaltens weggeputzte Takteim ersten Satz z.B. von T.122 bis T.131 und im Rondo-Satz läßt er die Wiederholungen weg und springt auch kurz vor dem Schluß über vier Takte.

Die geänderten Noten halten sich in geringer Anzahl, wenn man von Oktavierungen absieht. Im Takt 19 (1.Satz) wird die Achtelfolge auf von e-e-e auf e-e-d geändert (Stiegler hat das ebenso gemacht, - und es ist auch gut so.). Im Takt 65 und 67 & Takt 71 erleichtern Andre und Peters dadurch, daß sie g1 statt g setzen. Daneben, voll daneben ! Das tiefere g wäre gerade "die Entspannungstechnik Puntos". Mehr gibt es im ersten Satz gar nicht. An zwei oder drei Stellen wurden Vorschläge eingesetzt, aber das war sicher Mode so und kann eigentlich bleiben.

Im Andante allerdings verschärfen sowohl Andre als auch Peters durch den Vorschlag vor dem beginnenden g2 (punktiertes Viertel nach den 8 Takten Pause; ganz geschickt, nehmen sie doch ein Verkiecksen des notierten g2 vielleicht schon vorweg ?) und den Sprung vom c1 zum c3 statt c1 zu c2. Zwei Takte später passiert genau das Gegenteil. In der ersten Ausgabe gibt es den Sprung g - g2, also über zwei Oktaven, bei Andre und Peters nur über eine Oktave. In Takt 83 ist die letzte Note (1/8) bei Andre und Peters von g1 auf g#1 verändert, was etwas mehr Spannung reinbringt.

Im Rondo sind in Takt 30 die letzten drei Sechzehntel von c-d-e auf c-e-d geändert, woraus sich innerhalb der zweitaktigen Gruppen jeweils eine symetrische Variante ergibt. Offensichtlich hat dies der Stecher der Erstpublikation übersehen. Die Takte 28-31 fehlen bei Andre. Drei Takte des gehaltenen d2 werden bei Andre durch Pausen ersetzt, Peters läßt nur 1 1/2 Takte pausieren. Andre umgeht die heikle Stelle T.87-88 mit dem B2 dadurch daß er nach T.79 auf T.100 springt. Er springt aber nochmals u.z. nach T. 153 auf T.167, was dann zur echten Kastration des Quintettes ausartet. Erwähnen sollte man noch, daß sowohl Andre als auch Peters die im zweiten und vierten Takt ab T.120 zu erfolgenden Oktavierungen einebnen. In der Erstfassung sind diese beiden Takte in den Baß-Schlüssel gesetzt. Fast hätte ich das übersehen: die letzte Fermate in der Erstfassung steht über einem "g" und nicht wie später über einem "g1".

Summa summarum sind das eigentlich keine wesentlichen Veränderungen im Text, wenn man von den Kastrationsversuchen Andres absieht.

Alles im Urtext zu publizieren, halte ich für sehr problematisch. Da steckt dann auch keine besondere Geistesarbeit dahinter, nur Fleiß. Das reicht nicht. Wir brauchen objektive, dem Komponisten entsprechende vernünftige Ausgaben ohne Schnickschnack - wie oft auf Einspielungen zu hören. Allerdings brauchen wir interpretativ vernünftig getünchte Ausgaben, da der Großteil der jungen Kollegen durch die akustische Umweltverschmutzung auch unter Zuhilfenahme zu wenig erfahrener (oft möchte-gern) Lehrer kaum mehr einen soliden Geschmack aufbauen kann.

Wiederholt: das pdf der Solostimme mit den Eintragungen, wo etwas verändert wurde, stelle ich jedem interessierten Kollegen gerne (natürlich gratis) gegen persönliche Anforderung (es muß kein realer Name genannt werden) zur Verfügung.
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Re: Mozarts K.407 Quintett

Beitragvon Martin2 » Fr 27. Nov 2009, 08:53

@ Prof:

Ich muß feststellen, daß die Bärenreiter- Ausgabe ziemlich nahe an Deine Ausführungen heranreicht.
Es gibt keine Kürzungen, aber der Sprung vom c1 zu c3 im Andante (T. 60) ist nicht drin. Ich habe aber auch noch nie gehört, daß das jemand gemacht hätte.
Im Rondo T. 30 / 31 die letzten drei /16 sind als c-d-c notiert.
Die von Dir angebotene pdf- Datei würde mich brennend intersssieren.
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Re: Mozarts K.407 Quintett

Beitragvon Peter » Fr 27. Nov 2009, 10:51

Ich hätte nicht gedacht, das dieses Thema zu so einer hitzigen Debatte führen würde.

Sei es drum. Ich bleibe trotz der Schelte, bei meiner Ansicht, oder wie ich schrieb: Ich stehe dazu.

Ich finde aber, das viele hier vorgetragene Meinungen ziemlich spekulativ sind.

Es ist schade, das der Autograph dieses KV 407 verschollen ist (soll angeblich in der Mitte des 19. Jahrhunderts in England versteigert worden sein.).
Und jetzt zur Frage Urtext oder nicht:

Für mich ist der Urtext einschließlich des Wissen um die Spielmanieren zur Entstehungszeit der Maßstab aller Dinge, wenn es darum geht, eine eigene Interpretation zu entwickeln. Wir Hornisten können doch ein Lied davon singen, wenn man sich die alten(Breitkopf, Peters usw.,) Ausgaben anschaut, nämlich die Kling'schen Ausgaben der Hornkonzerte mit anderen Tönen, und, und

Ein gutes Beispiel war immer für mich das Klavier-Bläserquintett KV 452.
Heute haben wir den Urtext dieses Stückes in der Bärenreiterausgabe: Bis vor wenigen Jahren verkaufte Breitkopf eine Ausgabe aus dem 19. Jahrhundert.
Die Unterschiede sind g r a v i e r e n d ! Nicht nur andere Dynamik, Artikulatinon sonnt jede Menge anderer Töne! Tonleitern aufwärts statt abwärts usw.

Ich stimme allerdings Hans zu, dass unerfahrene Musiker oft etwas aus dem Urtext heraus zu lesen meinen, was abstrus ist. Ein Beispiel ist dafür sicher KV495 mit den verschiedenen Tinten. Was auch immer Mozart dazu bewegt haben könnte, Spielanweisungen kann man daraus nicht erkennen, was einige Theoretiker meinen. Es ist sicherlich einen auf Leitgeb bezogener Spass.

Eine kleine Verteidigung der vielen Legatobögen in den alten Ausgabe:

Wir verstehen heute unter einem Legato eine strenge Bindung, fast wie ein portamento.

Das war früher (auf Grund von Berichten, Harnoncourt usw.) anders.. Legato bedeutete "ohne Loch" ; man konnte das Legato durchaus artikulieren (weicher Zungenstoß oder auch Legatistoß). Ich meine das früher viele Legatobögen im Wissen darum gesetzt wurden. Es war wohl nicht unser heutiges Legato gemeint.

NB. Das gilt übrigens auch für das Staccato: Staccato heißt (nur!) getrennt und nicht einfach kurz, wie wir es heute interpretieren. Das führt heute zu mancher Verwirrung. Man denke an Maxime-Alphonse und seine sehr genauen Artikulationsvorschriften in seinen berühmten Etüden; z. B. Striche mit Punkten. Für meine amerikanischen Freunde war das völlig unverständlich ."lang, aber kurz". Wenn man das aber als "breit, aber getrennt" interpretiert, dann bekommt die Sache einen Sinn..
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Re: Mozarts K.407 Quintett

Beitragvon Prof » Fr 27. Nov 2009, 15:36

Lieber Peter !

Danke für die Unterstützung besonders in Richtung legato oder staccato. Man muß alles von der Streicherwarte sehen. Dann stimmt das. O.K. ! Mit "voller Hose .....", ich meine, wenn man eine Streicherausbildung genossen hat wie ich, dann sind viele Dinge einfacher: aufstrichmäßig (z.B. portato) leicht, spiccato, usw.

Es war eben damals trotz mancher technischer Mängel musikalisch vieles leichter als heute. Es gab kaum akustische Umweltverschmutzung, - und man hatte vielfach mehr Zeit zur Ausbildung und dann zur Vorbereitung der Stücke. Man hatte einfach Stilkenntnisse, die heute vielfach komplett fehlen. Über jede Veränderung, jeden Druckfehler wird heute gestolpert. Man müßte halt einfach mitempfinden, dann ergäbe sich die Korrektur von selbst. Wenn man aber nur stur seinen Text abspult ohne den Mitspielern gleichzeitig zuzuhören, dann passiert gar nichts.

Liebe Grüße nach Frankfurt.

Hans
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Re: Mozarts K.407 Quintett

Beitragvon RobLeicht » Fr 27. Nov 2009, 18:05

zu adagio:
die ersten beiden Töne gleichgewichtig spielen - das eben meinte ich mit der Anregung, sie beide quasi tenuto zu nehmen, damit verliert auch das Verhältnis Auftakt/erstes Viertel seine konventionelle Eindeutigkeit und die Sache bekommt einen gewissen irritierenden Swing...
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