Mundrohre

Fragen und Antworten zu Übungsmaterial, Literatur und Aufführungspraxis,..
Diskussionen rund ums Horn,...
...

Moderatoren: Günther, sysadmins

Mundrohre

Beitragvon Martin2 » So 4. Apr 2010, 09:43

Werte Experten,

es ist immer wieder zu hören und zu lesen, daß die Amerikaner anscheinend einer Umbauwut erlegen sind und ihre Hörner mit anderen Mundrohren ausstatten. Bei Hörner wie dem 8D mag man das ja noch nachvollziehen, damit beide Hornseiten annähernd gleich intonieren und das Doppelhorn sinnvoll nutzbar wird, anstatt die B- Seite nur im hohen Register einsetzen zu können. Aber auch bei Hörner, die von Hause aus gut gelungen sind (etwa Hoyer), ist der Anbau eines anderen Mundrohreres weit verbreitet.
Als Grund könnte ich mir vorstellen, daß ihnen der Klang zu europäisch ist oder die Hörner mit den amerikanischen Mundstücken nicht harmonieren, die ja eher dem Wiener Zuschnitt ähnlich sind, als dem deutschen Fasson. Aber auch mit einem Wiener Mundstück lassen sich viele "deutsche" Hörner ja ohne Probleme spielen. Oder ist es gar ein "Kollektivzwang"? Wird umgerüstet, weil der Händler / Instrumentenbauer es für sinnvoll hält und der Kunde aus evt. Unwissendheit dem zustimmt? Ist es die Idee, Fehler erst mal bei der "Hardware" anstatt bei der "Software" zu suchen (eine auch hierzulande weit verbreitete Eigenschaft)?

Eigene Experimente mit amerikanischen Mundstücken (Holton, Stork, Giradinelli, Schilke, Bach) an deutschen Hörner führten jedenfalls nicht zu gravierenden negativen Eigenschaften. Eine schlechtere Intonation war höchstens ganz "unten" / "oben" feststellbar. Der Klang dagegen war teils sogar deutlich edler!
Hoyer z.B. verbaut eine universal passende Mundstückaufnahme, so daß sowohl der deutsche Standardschaft (Klier / Yamaha) als auch der Morseschaft hineinpassen (der dickere "Bruno Tilz"- Schaft paßt natürlich nicht). Knopf hat sowieso Morseschaft und auch beim Kühn- Horn paßt dieser hinein, wenn man einen Papierstreifen um den Schaft wickelt.

Direkte Anfagen bei am. Hornisten führten zu Aussagen von "It's a must." bis hin zu "I don't know, the dealer told me...", jedoch ohne weitere Erklärungen.

Was könnte der Grund sein?
Martin2
 
Beiträge: 507
Registriert: Fr 16. Jan 2009, 19:40

Re: Mundrohre

Beitragvon Raphael » So 4. Apr 2010, 11:25

Ein Grund liegt sicher bei den Herstellern/Anbietern dieser Mundrohre. Es gibt dort unzählige verschiedene Umbaukits gerade für das Conn 8D, die auch werbewirksam angepriesen werden. Kleinere Hersteller wie Lawson, Lewis, McCracken, Atkinson u.s.w. bieten zu teils hohen Preisen viele verschiedene Mundrohre und auch Schallbecher zum Nachrüsten an, welche Eigenentwicklungen sind und mit von der Serie unbekannt positiven Eigenschaften aufwarten sollen. Die Aufmachung solcher Umbauten ist also eine ganz andere wie bei uns, wo es diese eigentlich nicht gibt. Patterson (http://www.hornworks.com) zum Beispiel baut, anscheinend mit Erfolg, 6801er von Hoyer um.
Des weiteren ist in den USA das Klangideal der alten Conn 8D in Neusilber, wie sie z.B. in Cleveland noch gespielt werden, noch sehr beliebt und verbreitet. In den 40er bis 70er Jahren wurde dieses Horn in praktisch allen amerikanischen Orchestern gespielt. Zur Erklärung: Das Conn 8D ist ein Nachbau des Kruspe "Horner", das von Anton Horner vom Philadelphia Orchestra Anfang des letzten Jahrhunderts nach Amerika importiert wurde. Es zeichnet sich vor allem durch seinen sehr groß mensurierten Schallbecher aus. Der Klang ist durch unzählige Filmmusiken (daher auch die Bezeichnung "Hollywood-Sound") populär geworden. Da Conn seitdem keine Hörner in Profiqualität mehr anbietet, gibt es zum einen eine ganze Industrie, die neue 8Ds auf dieses Niveau hebt, und zum anderen erzielen die Hörner aus der alten Zeit (die Elkhart-Modelle) auch in schlechtem Zustand heute Preise über dem eines neuen Instruments. Vor Kurzem hat Conn das Geschäftspotential erkannt und hat das Vintage 8D zum doppelten Preis des Serienmodells auf den Markt gebracht, das wieder ein Horn höchster Qualität sein soll.
Raphael
 
Beiträge: 102
Registriert: Do 15. Jan 2009, 13:17
Wohnort: Allgäu

Re: Mundrohre

Beitragvon Martin2 » Mo 5. Apr 2010, 09:18

Hallo Raphael,

wenn man mal im Internet blättert, stößt man auf genau die von Dir beschriebenen Angebote.
Was das 8D betrifft, so sind die alten Modelle eindeutig besser, als die aktuellen. Das ist bekannt. Aber das gibts bei deutschen Herstellern auch. Ebenfalls bekannt ist, daß die Qualität duch lange anhaltende Streiks, Firmenzusammenschlüsse usw. sehr gelitten hat. Auch bei den bekannten am. Trompeten mit dem dt. Namen ist dieses Phänomen zu beobachten. Das gilt aber nicht für alle Modelle, egal von welchem Hersteller und in letzter Zeit ist es ja auch wieder etwas besser geworden.
Die "Vintage"- Welle ist zwar anscheinend global vertreten, aber vermutlich nur eine vorübergehende Modeerscheinung. Ein auf alt getrimmtes 8D zum doppelten Preis ist einfach nur Abzocke, denn das Tempern eines Schallbechers rechtfertigt diesen Aufschlag nicht. Das 8D wurde im Laufe der Jahre mit immer weiter mensurierten Mundrohren ausgestattet, um noch mehr Volumen in den Klang zu bringen. Dadurch litt die Intonation natürlich erheblich. Und hier ist ein engeres Mundrohr ja auch sinnvoll. Anders dagegen bei Hörner, an denen es eigentlich nichts zu bemängeln gäbe.
Doch ob sich die Umbauten lohnen, wage ich mal zu bezweifeln. Nicht jedes Horn ist ja von Hause aus schlecht. Und ein schlechtes Horn kauf man erst gar nicht, wenn man auch nur die Spur einer Ahnung hat. Warum haben auf dem am. Gebrauchtmarkt dt. Hörner ohne Umbaumundrohr kaum eine Chance, obwohl ein serienmäßiges Hoyer oder Alex (nur als Beispiel) das gar nicht nötig hat? Einige der Befragten gaben an, ein neues Horn - ohne es vorher zu testen ! - mit einem anderen Mundrohr versehen zu haben (im Internet gekauft). Sicherlich ist der Amerikaner etwas mehr von der Werbung beeinflußbar und auch etwas anders eingestellt, was den Gruppenzwang angeht. Das betrifft nicht nur den Bereich "Instrumente". Aber das ist in meinen Augen keine logische Erklärung dafür, ein gutes Horn duch teuren und unsinnigen Umbau zu "verbessern". Also alles nur "Mache" und Psychologie, um irgendwelchen unnötigen Kram zu verkaufen, wie etwa auch die superschweren Ventilkappen? Was das Beispiel Hoyer 6.801 angeht: Was ist an diesem Horn zu verbessern? Es intoniert deutlich besser, als seine am. Konkurrenzmodelle und wenn man mehr Reflektion wünscht, kauft man halt das 7.801. Wozu also der Umbau? Der ist ja teurer als der Aufpreis fürs 7.000er! Oder man kauft das Yamaha 668 II.
Was mich regelrecht schockierte, waren die Aussagen der am. Kollegen (s.o.). Es muß doch möglich sein, eine Erklärung für den vorgenommenen Umbau zu geben, denn Sinn- los macht man sowas doch nicht (oder doch??). Aber genau die fehlten in 56 von 60 gemachten Anfragen. Auch auf Nachfrage kamen keine logische Äußerungen.
"Umbauhörner" gibts ja auch serienmäßig, wie etwa des Holton 105. Es hat zwei Mundrohre (eng und weit) und kann mit verschiedenen Schallbechern versehen werden. Letzteres geht ja bekanntlich bei jedem Horn mit Schraubschall und ist ja manchmal auch ganz nützlich. Das hat aber mit dem beschriebenen Phänomen nichts zu tun.
Daß Amerikaner anders "ticken" (das ist nicht abfällig gemeint!), merke ich deutlich an meiner dort zahlreich ansässigen Verwandtschaft. Aggresive Werbung ist sicherlich ein Faktor. Gruppenzwang auch. Aber bei der objektive Beurteilung eines einzelnen Instrumentes kann das keine Erklärung sein.
Martin2
 
Beiträge: 507
Registriert: Fr 16. Jan 2009, 19:40

Re: Mundrohre

Beitragvon Prof » Mi 7. Apr 2010, 14:00

Wenn jemand in der Höhe Schwierigkeiten hat, kauft er ein enges Mundstück. Wenn der Ton zu eng oder zu klein ist, wird ein weites Mundrohr montiert, Wenn der Gesamtklang zu schwach ist, nimmt man eine gehämmerte möglichst weite Stürze. Sollte das immer noch nicht reichen, wird an der Hauptmensur gebastelt um einen voluminöseren Ton zu bekommen. Wenn es mit den drei Ventilen und dem Umschalter noch nicht reicht, läßt man sich ein Zusatzventil (einen Ton aufsteigend oder ein E/A Ventil einbauen). Wer bei der Transposition wegen der Stopferei Schwierigkeiten hat, bekommt ein zusätzliches Stopfventil.

Wichtig ist nur, daß die ursprüngliche Herstellergravur oder die Herstellerplakette immer am ursprünglichen Platz sitzt.

Ist das Horn dann noch ein Alex oder Knopf oder "was-weiß-ich-Horn" ???

Es nützt nichts, die "Hardware" ständig zu verändern, wenn man nicht willens ist, die "Software" (also das Blasprogramm im Hirn) zu verändern, alte schlechte Gewohnheiten abzulegen, richtig zu üben, richtig zu zu hören, usw. Es hilft auch nichts, wenn man unbedingt Stücke spielen möchte, für die man mit dem persönlich erworbenen Stand des Könnens noch nicht bereit ist.

Wie sagte da der Gendarm: "MERKEN SIE SICH DAS IHNEN !!!" - Es ist hoffnungslos, wie dumm Leute sein können. Aber nicht nur unter uns Hornisten. Einfach ÜBERALL !!!! Und man kann diesen "behinderten oder verhinderten" Hornisten jeden Scheiß verkaufen, wenn man diesen Scheiß nur gut anpreist und ein paar gute Namen hinterherwirft. Es ist einfach ein tolles Geschäft, das Geschäft mit der Dummheit. Das geht schon an Kaffeesatzleserei und Sterndeuterei. Niveau N24.
Prof
 
Beiträge: 1273
Registriert: Do 15. Jan 2009, 20:04

Re: Mundrohre

Beitragvon Martin2 » Mi 7. Apr 2010, 14:22

Ich denke, lieber Prof, das ist eine Erklärung.
Aber man sollte sie nicht verallgemeinern.
Martin2
 
Beiträge: 507
Registriert: Fr 16. Jan 2009, 19:40


Zurück zu WIENERHORN FORUM

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 38 Gäste

cron