Mundstück für Diskanthorn

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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Prof » Sa 17. Jul 2010, 11:58

Lieber herbstgetönter Hain,

es sind zweierlei Paar Schuhe ob ich gelegentlich exponierte Literatur spiele oder ob ich das z.B. in einem Rundfunksinfonieorchester täglich mache. Das persönliche Nervenkostüm ist da meist nicht schuld. Man muß diese Dinger eigentlich benutzen, weil es die z.B. modernen Komponisten verlangen. Das geht dann so:
erst hängt man sich die kleine Gurke ans Pult oder legt sie auf einen Stuhl daneben, damit man sie im Falle des Falles zur Hand hat. So habe ich das immer gemacht z.B. für bestimmte hohe Nummern in der Klassik, wenn der Dirigent es bestimmte. Dazu gab es dann noch ein Sonderhonorar. Funktioniert. Viele Kollegen wurden dann durch die Möglichkeit des B-hoch-F zu bequem, zwei Hörner mit zu nehmen. Man blieb dann beim B-hoch-F, später beim Tripel, auf dem man aber nur kleines g & kleines c (notiert) auf der F-Seite spielte, also das Gewicht umsonst mit herumschleppte. Dann wurde man noch bequemer und krächzte bis zu 100% auf der hoch-F-Seite, auch Bruckner-Symphonien z.B.

Dann war es passiert. Der wesentlich größere Widerstand bei dem kurzen Rohr erforderte einen weitaus größeren Aufwand, um einen halbwegs anständigen Ton zu produzieren. Das war dann für den Ansatz ruinös. Man könnte ja auch zum Großteil auf der B-Seite bleiben und die hoch-F-Seite nur für bestimmte Einsätze oder Passagen oder nur einzelne Töne einsetzen. Das ist anscheinend zu unbequem, da es mehr Hornarbeit bedeutet.

Lieber herbstgetönter Hain !
Du vergißt ganz in Deinem Vergleich oder Hinweis auf die Trompeter, daß diese meist nur 1/3 des Pensums eines Hornisten blasen. Meist sind sie mit "Ratschen" oder Kreuzworträtseln beschäftigt. Quer durch die ganze Literatur.
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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Günther » Sa 17. Jul 2010, 12:31

Ich danke Euch allen für die interessanten Beiträge.
Mein kurzes Resume: Diskanthorn = Riskanthorn.

@Prof:
Nicht ganz verstehe ich die Aussage vom größeren Widerstand beim kurzen Rohr. Für mich wächst der Widerstand mit der Rohrlänge, zumindest der fürs Blasen. Als unangenehm empfinde bei manchen Instrumenten, wenn man die zurückschwingende Luftsäule zu spüren meint. Ist vielleicht der Effekt gemeint?
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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Prof » Sa 17. Jul 2010, 19:01

Das Horn wehrt sich heftig gegen die Entwicklung eines anständigen Tones. Man muß völlig anders an die Sache herangehen, völlig anders. Damit es gut wird, "fließt viel blutiger Schweiss". Es braucht ziemlich lange, - außer man kapiert es sofort. Bei mir ist es sofort gegangen, bin aber kein Maßstab.
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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Prof » Sa 17. Jul 2010, 19:01

Das Horn wehrt sich heftig gegen die Entwicklung eines anständigen Tones. Man muß völlig anders an die Sache herangehen, völlig anders. Damit es gut wird, "fließt viel blutiger Schweiss". Es braucht ziemlich lange, - außer man kapiert es sofort. Bei mir ist es sofort gegangen, bin aber kein Maßstab.
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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Papagei » Mo 19. Jul 2010, 22:04

Liebe Kollegen

Ich bin immer wieder beeindruckt von Euren 'metaphysischen' Erklärungen. Als junger Hornstudent hätte ich mir gewünscht, dass mal jemand von realen Aspekten und nicht von hornistischem Hokusbokus berichtet.

Analytisch gesehen ist die Sache einfach:

Faktor 1: Intonationsprobleme in der Höhe entstehen mitunter durch falsche Vokalbildung. Die Vokalbildung ist aber entscheidend für das Klangbild.

Faktor 2: Obertongehalt im Klang - je kürzer das Rohr desto weniger leicht fällt es einen 'strahlenden' Ton (a la Wienerhorn) zu erzeugen. Wir steuern beim spielen die Dynamik über unser subjektives Hörerlebnis. Das heisst, wer sich dessen nicht bewusst ist, spielt auf dem hoch F Horn für den Gleichen Klang wie auf dem tief F Horn absolut gemessen um ein vielfaches lauter. Entsprechend höher ist der Kraftverschleiss (empfunden mitunter als zu hoher Widerstand). Fakt: Obertongehalt eines Klangs kann mit der Weite der Mundstückseele beeinflusst und zusätzlich mit entsprechender Vokalbildung unterstützt werden.

Fazit: Im Idealfall, zugunsten eines gleichbleibenden Klangs, würden wir für jede Rohrlänge ein optimales Mundstück verwenden; Je kürzer das Rohr desto seichter der Kessel und enger die Seele. Da wir aber nicht für jeden Ton das Mundstück wechseln können und im Normalfall von ganz hoch bis sehr tief alles bewältigen können müssen, verwenden wir Standardmundstücke; Sozusagen die goldene Mitte. Im deutschsprachigen Raum fürs Doppelhorn mittlere Kessel mit Seelen zwischen 3,8 und 4,6mm. In Wien und USA (F-Seite des Doppelhorns hat eine grössere Bedeutung) tiefe Kessel mit Seelen zwischen 4,5 und 5,8mm.

Nebst meinem Standardmundstück verwende ich für hohe Partien auf dem hoch F Horn einen seichteren Kessel mit enger Seele. Auf dem Wienerhorn einen tieferen Kessel mit einer weiteren Seele. Der Rand bleibt dabei immer der gleiche.

Grüsse vom Papagei
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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Peter » Di 20. Jul 2010, 03:31

Hallo Papagei,
wie Du Dir denken kannst, teile ich nicht in allen Punkten Deine Meinung. Gesammelte Erfahrungen sind keine metaphysischer Hokuspokus sondern gelten als Emperie.

zum Faktor 1:
Die häufigen Intonationsprobleme bei kurzen Hörnen sind keine Einbildung, die mit richtiger Vokalbildung korrigiert werden kann. Du hast zwar recht, mit dem Einsatz von verschiedenen Vokalen kann man die Klangfarbe beeinflussen - mehr aber nicht.
Es gibt diese elektronischen Messgeräte, wie Alexander, wohl auch E.Schmidt und andere sie besitzen/benützen. Obwohl diese Computertechnik sicher noch verbessert werden kann, sind diese Messgeräte jetzt schon eine enorme Hilfe. Hier wird das Mundstück/Horn mit einem rückkopplungsfreies Mikrophon und Lautsprecher verbunden. In den den Schalltrichter hält man seine Hand oder eine "Dummy-Hand". Nun heult der Computer ein Glissando von ganz tief bis ganz hoch durch das Horn. Das Programm misst nun, wo die Obertöne ansprechen, bzw. wo das Horn auf die Tonhöhe reagiert Man kann das dann später in einem Wellendiagramm erkennen. Die Schwingungsgipfel zeigen dann die entsprechende Obertonreihe. Man kann die Schallintensivität und die Intonation ablesen. Ein Zusatzprogramm sagt einem dann, wo und wie viel man den Rohrdurchmesser verändern muss, wenn man die Intonation korrigieren will.

Faktor 2
Dem ersten Satz bezüglich des Obertongehalt im Klang usw. stimme ich Dir voll zu. Du schreibst weiter: "wer sich dessen nicht bewusst ist, spielt auf dem hoch F Horn für den Gleichen Klang wie auf dem tief F Horn absolut gemessen um ein vielfaches lauter". Ich halte das für eine subjektive Meinung, ich verstehe aber was du damit sagen willst:
Der charakteristische Klang wir durch die Dominanz einzelner Obertöne gebildet. Man versucht nun beim Spielen des kleinen Hornes eben diese Dominanztöne an zusprechen. Das gelingt nur sehr schwer und erfordert Dein richtig dargestelltes Lautspielen und den gefühlten Krähfteverschleiss. Bei der Dynamik geht es nicht nur oder sogar weniger um die tatsächliche messbare Lautstärke (in Dezibel gemessen) sondern um Klangfarben. z.B. forte = Schmetterklang und das gelingt auf dem kleinen Horn kaum. Im Gegensatz zu anderen behaupte ich, dass das Problem im zu geringen Widerstand liegt.
Und Du hast wiederum recht, wenn du das mit speziellen Mundstücken in den Griff kriegen willst. Aber mit der Wahl eines flachkesseligen Mundstückes mit einer engen Bohrung passiert genau das, was ich n i c h t will, nämlich dass das kurze Horn jetzt wie ein Flügelhorn klingt.

Ich kann Dir daher Deinem Fazit nicht zustimmen.
Ich spiele mein hoch-F-Horn, welches nach der anfangs beschriebenen Mess-Methode perfekt stimmt mit meinem tiefkesseligen und weitgebohrten Mundstück. Es hat einen wunderschönen Hornton im
p - mf Bereich, was mir in 90% aller Fälle ausreicht.
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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Prof » Di 20. Jul 2010, 07:06

Hallo Peter !

Am Ende Deines Beitrages hast Du ganz kurz angesprochen, was auf den "hohen Dingern" echt gut zu erreichen ist:
p - mf. Völlig richtig. Dafür sind sie auch gedacht.

Es ist absoluter Unsinn, diese Hörner für hohe Fortestellen einzusetzen. Das kann nur ruinös sein.

Es gibt natürlich Ausnahmen: z.B. die letzte Seite der Josephslegende von R.Strauss mit den vielen a2 & d3. Da ist es
ganz gut, den kleinen Kuckuck dabei zu haben. Da muß dann aber mit viel Luft gearbeitet werden, um "sich die
Schnauze nicht zu verbrennen".

Sonst, tiefes, weit gebohrtes Mundstück, wenig Druck, barocke Musik bis manche Stücke aus der Klassik, oft nur "flautando".
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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Papagei » Di 20. Jul 2010, 11:10

Lieber Peter

Besten Dank für Deine differenzierte Antwort. Der hornistische Hokuspokus ist auf das missionarische verkünden von Halbwahrheiten, bzw. der absolutistischen Verallgemeinerung subjektiver spiel- und materialtechnischer Überzeugungen gemünzt. Davor bin auch ich nicht gefeit; Leider gibt es meines Erachtens aber zuviele professionelle Hornisten, die sich wenig analytisch mit ihrem Instrument und ihrer Instrumentaltechnik befassen. Es ist ja auch nicht notwendig; um ein Probespiel zu gewinnen braucht es vor allem Routine in dem einmal angenommenen Zustand der eigenen Spielfertigkeit.

Selbstverständlich lassen sich baulich bedingte Intonationsmängel nicht mit Vokalbildung beheben. Ich bin aber überzeugt, dass der Mundstück- und Instrumentenbau auch immer der sprachbedingten Vokalbildung der Abnehmer bzw. des Erzeugers verpflichtet ist. So unterstützen bestimmte Abmessungen und Mensuren die eine Vokalbildung besser als die andere. Meine Erfahrung dabei ist, dass auch bei perfekten Instrumenten aufgrund einer konträren Vokalbildung Intonationsprobleme auftreten können.

Es gibt bekanntlich verschiedene Formen des Widerstands. Der Widerstand seitens der Strömungsverhältnisse ist auf den gängigen hoch F Hörnern, insbesondere auch als Teil eines Doppel- oder Trippelhorns geringer, da bin ich Deiner Meinung. Der Hornist ist sich mehr strömungsbedingten Widerstand durch die mehrheitliche Verwendung des B bzw. des F Horns gewohnt. Wenn dieser Widerstand kleiner wird, kann das zu spieltechnischen Problemen führen. Rein von der Logik her, sollte es doch möglich sein mit einer engeren Mensur bei kürzerem Rohr Abhilfe zu schaffen. Mir ist aber kein Instrumentenbauer bekannt (ausser Paxman mit seinen Dual- und Tripplebore Modellen) der diesem Aspekt wirklich massgebend Rechnung zu tragen versucht. Dass ich aus diesem Grund ab und zu auf dem hoch F Horn ein seichteres und vor allem engeres Mundstück verwende, hast Du richtig erkannt. Dass dies für Dich keine Lösung ist akzeptiere ich gerne. Für mich bin ich jedoch bezüglich des Flügelhornklangs nicht einverstanden; Die Vokalbildung schafft hier Abhilfe. Mit dem grossen Vorteil, dass falls notwendig auch ein obertonreicher Klang bei nicht zu hoher Dynamik (subjektiv empfundenes Forte) möglich ist.

Grüsse vom Papagei
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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Peter » Di 20. Jul 2010, 15:16

hallo Papagei,
ich sehe mit Freude eine Annäherung unserer Meinungen.
"…Leider gibt es meines Erachtens aber zu viele professionelle Hornisten, die sich wenig analytisch mit ihrem Instrument und ihrer Instrumentaltechnik befassen…"

Da gebe ich Dir aus vollem Herzen recht.

"…Der Hornist ist sich mehr strömungsbedingten Widerstand durch die mehrheitliche Verwendung des B bzw. des F Horns gewohnt. Wenn dieser Widerstand kleiner wird, kann das zu spieltechnischen Problemen führen…"

Der größere Widerstand bei den langen Hörnern ist Blas/Ansatztechnisch gesehen sogar sehr gesund. Widerstand muss man nicht brechen wollen, sondern er ist zum Anlehnen da. Zu geringer Widerstand puffert die Lippen nicht ab, sondern saugt sie geradezu in das Mundstück. so gesehen ist das Blasen auf kurzen Hörnern sehr anstrengend.
Die Paxmansche dual/riplebore-Bauweise hat mich im Ergebnis leider sehr enttäuscht.
Diese Instrumente sind ja auch nur teilweise Dual/riplebore. Der Beginn des Mundrohres und der Schalltrichter sind in allen Sektionen zumindest gleich. Man hat bei diesen Hörnern das Gefühl drei völlig verschiedene Hörner in einem zu haben. - und genau das will man nicht. Es soll wie e i n Horn klingen mit den Vorteilen der einzelnen Sektionen.

Was Deine Ansichten bezüglich des Einsatzes von Vokalen anbetrifft, so teile ich Deine Meinung uneingeschränkt.
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Re: Mundstück für Diskanthorn

Beitragvon Prof » Di 20. Jul 2010, 19:10

Noch eine Bemerkung zur Intonation:

Die individuell (Horn & auch Bläser) notwendige Korrektur der einzelnen Töne muß im Moment des Entstehens passieren, ohne daß man überhaupt denken muß. Dazu muß sich ein gewisser Automatismus heranbilden. Dazu braucht man aber ein besonders fein getrimmtes Gehör. Ein antrainiertes absolutes Gehör wirkt da Wunder.

Die Vokaklgeschichte stimmt natürlich. Im "Kampfgetümmle" hat man aber keine Zeit darüber nachzudenken. Wenn man diese Sachen immer üben muß, verschleißt man sich jedoch auch zu schnell.

Also, während des Studiums ganz konsequent darauf achten. Das Hirn dazu trainieren. Den Automatismus aufbauen (manchmal nachtrimmen !). Dann bleibt viel Energie für die musikalische Gestaltung, die Tonfärbung (aha, da sind sie ja, die Vokale !!!) und für die Beherrschung der Nerven (wenn es notwendig ist). Die ersten Stimmen sind davon mehr betroffen als die zweiten, die jedoch dafür andere, meist "springende" Probleme haben.
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