Kann man ein Blechblasinstrument verblasen?

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Kann man ein Blechblasinstrument verblasen?

Beitragvon Mr.Masterbrass » So 21. Nov 2010, 22:50

Hallo liebes Forum, heute wurde ich nach einem Konzert von einem Chormitglied gefragt , ob man ein Horn verblasen kann. Er meinte wohl damit, dass jemand der die Töne permanent falsch anspielt, dem Ansprechverhalten des Horns schaden kann.Sein Vater hätte ihm davon erzählt und er wollte mal eine Profimeinung dazu hören.
Ich persönlich bin davon überzeugt, dass dies bis zu einem gewissen Grad möglich sein kann. Ich hatte auch schon mal vor ein paar Jahren einen Meister bei Alexander dazu befrAgt. Er sagte mir das dies nicht möglich sei.
Meine eigene Erfahrung ist allerdings so , dass sich ein neues Instrument nach einem 1/2 bis 1 Jahr stark verbessern kann wenn man ein guter Bläser ist .
Wie ist eure Meinung zu dem Thema..



LG Mr.Masterbrass
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Re: Kann man ein Blechblasinstrument verblasen?

Beitragvon Günther » Mo 22. Nov 2010, 00:00

Hallo Mr. Masterbrass!
Ich bin in meinem Hauptberuf Techniker und wage als solcher zu behaupten, das ich das "Verblasen" für ein Mär halte. Es ist ein gerne gebrauchtes Argument, um jemanden das Instrument zu verweigern. Es gibt nun einmal gute, brauchbare und schlechte Instrumente. Was wäre denn die Definition von "Verblasen"?

Annahme 1, Stimmung:
Bei welchen Tönen ein Instrument wie gut stimmt ist ein Ergebnis des Resonanzverhaltens. Dieses ergibt in erster Linie durch die Geometrie, Konusverläufe etc. Siehe dazu die Studien von Gregor Widholm. Das man dieses Verhalten des Instrumentes durchs Blasen merklich verändern könnte, halte ich für ausgeschlossen. Vielmehr ist der Bläser gefordert, die Töne intonationsmäßig hinzubiegen, was ja ganz gut funktionieren kann. Man spielt dann den Ton eben nicht am Resonanzmaximum, sondern etwas ober- oder unterhalb.

Annahme 2, Energie:
Ja, ich glaube, dass Instrumente im Lauf der Jahre an Strahlkraft verlieren können. Das liegt aber nicht am Verblasen, sondern hängt eher mit Materialermüdung zusammen. Das Blech wird dünner, weicher und schwingt nicht mehr so mit. Das ist zumindest mein subjektives Empfinden.

Wenn man durch Verblasen ein Instrument verschlechtern könnte, sollte es ja auch umgekehrt möglich sein aus jeder "Gurke" ein Topinstrument zu machen. Geht aber leider nicht. Ich denke, dass es eigentlich immer der Bläser ist, welcher sich anpasst.

LG Günther
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Re: Kann man ein Blechblasinstrument verblasen?

Beitragvon Mr.Masterbrass » Mo 22. Nov 2010, 01:01

Hallo Günther, aus einem schlechten Instrument ein Gutes machen geht bestimmt nicht,
da bin ich deiner Meinung . Es geht da wenn sicher auch nur um Feinheiten.
Das Problem ist dabei ja , wie du schon geschrieben hast ,dass man sich auch anpasst.
Trotzdem bin ich mir da nicht so sicher. Denn ich habe auch bei anderen Instrumenten zb Querflöten schon erstaunliches erlebt. Allein die Schraubr am Kopfstück ( gleiches Material Gold)erändert die Klangfarbe..
Ein Flötenbaumeister erzählte mir auch das er auch davon überzeugt sei, dass sich das Instrument, wenn es neu ist und von einem Profi ein paar Tage angeblasen wurde zum positiven verändert.
Die Tonfarbe wird runder und die Flöte spricht besser an.
Daher läßt er seine Instrumente vor dem Verkaufen eine zeitlang von einem guten Bläser spielen.

Wenn das bei der Flöte einen Effekt hat, dann sicher auch bei einem Horn.
Da würde ich gerne auch mal Peter seine Meinung hören.

LG Mr Masterbrass
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Re: Kann man ein Blechblasinstrument verblasen?

Beitragvon Peter » Mo 22. Nov 2010, 01:59

Mr. Masterbrass hatte mich direkt angesprochen:
Ich glaube nicht, dass man ein Blechblasinstrument "verblasen" kann.
Es ist immer der Bläser, der sich auf ein Instrument einstellen muß.
Dazu gehört, dass man seine "Einstellung" zum vorherigen Instrument erst einmal "verlernen" sollte.
Bei diesem Umstellungsprozess kommt es im wieder zu Erscheinungen von denen man glaubt, das sich das neue Horn geändert habe. Man könnte salopp sagen: Verblasen gibt es - es findet aber im Kopf des Bläsers statt.
Selbst bei Günthers Ansicht über die Materialermüdung bin ich mir nicht so sicher. Ich habe zu viele historische Instrumente besessen oder ausprobieren dürfen, die unvergleich gut und strahlend klangen. was ja nach dieser Theorie nicht hätte sein dürfen, oder habe ich da etwas übersehen?
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Re: Kann man ein Blechblasinstrument verblasen?

Beitragvon Prof » Mo 22. Nov 2010, 17:05

Lieber Peter ! Liebe Kollegen !

Die Materialermüdung beim Messing tritt wahrscheinlich nur dann ein, wenn das Messing-Instrument nicht entsprechend aufbewahrt wird, also ohne große Feuchtigkeitseinwirkung (Hinweis: Oxydation, Zinkfraß, Grünspan, usw.) oder Hitzeeinwirkung, verbunden mit großer Trockenheit (Hinweis: Dachbodenfund !). Bei beiden Fällen tritt einerseits eine chemische Umwandlung des Materiales mit allen Folgeschäden auf bzw. eine extreme Sprödigkeit. Zahlreiche wieder ausgebesserte mechanische Schäden tragen zur Materialermüdung ebenfalls bei. Das schlimmste Vergehen gegen das Instrument ist die mangelnde Sauberkeit des Bläsers. Wenn man nicht dafür sorgt, daß keine Fremdkörper ins Horn kommen (Zähneputzen vor dem Hornblasen !), braucht man sich nicht zu wundern, wenn z.B. im ungünstigen Falle Schwingungsknoten gestört werden und damit Töne schlechter ansprechen. Der Schließwinkel der Ventilkörper kann durch abgenützte Korken verändert werden. Das wirkt sich dann besonders bei Kombinationsgriffen aus. Ausgeleierte Federn tun ein Übriges.

Ja, da kann man dann mit Recht sagen, das Horn wurde vom schlechten Bläser "verblasen" (auch wenn es de facto nicht stimmt, sondern eine schlampige Handhabung die Funktion des Instrumentes beeinträchtigt).

Ein neues Instrument ist immer eine etwas "heiße Kiste", nicht für alle, aber für viele. Viele sind nicht gewohnt, ihre Anblasart innerhalb ganz kurzer Zeit (d.i. nach einem kurzen Test über das ganze Register und eventuell notwendigem Nachstimmen der Züge) auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Oft ist das ja nur minimal notwendig. Wenn das Instrument womöglich direkt nach dem Polieren, Lackieren oder Versilbern völlig trocken ist, erschwert das zusätzlich. Deshalb ist es gut, wenn das Instrument vor dem ersten Anblasen erst einmal "gewässert" wird. Beim Wienerhorn quellen die Filze auch erst durch die Feuchtigkeit auf das gewünschte Maß.

Ein echtes "Verblasen" kann nach den Regeln der Physik auch der schlechteste Bläser nicht schaffen. Alles andere sind die üblichen Märchen.
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Re: Kann man ein Blechblasinstrument verblasen?

Beitragvon Mr.Masterbrass » Mo 22. Nov 2010, 22:50

Hallo lieber Prof schöner Beitrag.
Ich glaube auch nicht an ein richtiges Verblasen des Instruments. Allerdings könnte ich mir trotzdem vorstellen, dass sich das Material in seiner Struktur, nach einer gewissen Zeit, an den Schwingungsknoten minimal verändern könnte. Wenn es denn eine Veränderung gibt ist es eine ganz minimale. Nur Diese würde ich jetzt nicht ausschließen.
Gibt es denn darüber schon eine Untersuchung ?


LG Mr Masterbrass
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Re: Kann man ein Blechblasinstrument verblasen?

Beitragvon Prof » Di 23. Nov 2010, 09:09

Lieber Mr.Masterbrass !

Da müßten schon ganz andere Kräfte einwirken. Vielleicht ist das der Fall, wenn es jemand schafft, unsere "Glückspirale" so zu "traktieren", daß sie sich in die Gerade streckt. Dann wird es aber mit der rechten Hand schwer. Die Höhe wird dann auch nach "zu hoch" tendieren.

Die "Schwingungsknotereimärchen" schwanken doch auch mit den physikalischen Gegebenheiten. Es gibt dazu zu viele Variablen: Raumtemperatur, Atemtemperatur, rechte Hand im Becher, Legierung, Unterschiede bei den verwendeten (??? sollte man das etwa auch mit "ä" schreiben ??) Metallen, Mundstückgestaltung, Anblasstärke bzw. aufgewendete (vielleicht auch hier das "-ä-" ???) Energie , Haltung des Bläsers, Reflex der umgebenden Wände, Feuchtigkeitszustand im Inneren des Instrumentes, Dreck im Instrument. Einige dieser Faktoren könnten sicher zumindest für eine Untersuchung standardisiert werden, die Bläser nicht. Es bleibt also nur die künstliche Anblasvorrichtung z.B. des Braunschweiger Institutes.

Was sollte das aber für den Bläser bringen ? Daß der Bläser (nur) eventuell davon überzeugt wird, daß auch beim Blechinstrument die Sauberkeit des Bläsers erforderlich ist ?

Wie steht es mit dem Hörverhalten der Bläser ? Ist das objektiv ?

Die ganze Geschichte scheint (konjunktiv) mir, eher eine weitere Entschuldigung für Mängel des Bläsers zu sein.
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