Tschaikovsky 5. Sinfonie Hornsolo

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Tschaikovsky 5. Sinfonie Hornsolo

Beitragvon vivaldix96 » Do 17. Jun 2010, 20:49

Hallo zusammen...

Ich wollte eure Meinungen wissen, was ein Vibrato im Hornsolo, zweiter Satz der Fünften von Tschaikovsky, anbelangt, soll ich oder nicht? Nach russischer Philosophie wäre es ja mit....aber mein Lehrer findet es nicht schön, der Dirigent wiederum sehr und der Direktor des Orchesters nicht und und und...was sagen die Hornisten hier im Forum?

Gruss, Antonio
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Re: Tschaikovsky 5. Sinfonie Hornsolo

Beitragvon Beate_Pokorny » Do 17. Jun 2010, 23:18

Lieber vivaldix96! :)

Miles Davis der Jazztrompeter hat einmal gesagt, das Vibrato komme im Alter dann von ganz allein... Also übe doch erst mal ohne, wenn das Lampenfieber und der besondere Kick vor dieser Kantilene auftauchen, sieht die Welt ganz anderst aus. Da mach Dir lieber Gedanken über Tempo, Atempausen, dynamische Gestaltung etc. Und - ich rede da aus eigener mehrfacher Erfahrung mit dem Andante cantabile - Du wirst erst einmal froh sein wenn Du die Runde treffsicher und womöglich klangschön überstehst und hinterher beim Applaus nicht die dämliche Hundenummer mitmachen mußt.

Außerdem, ist denn ein Orchester eine Demokratie? Einzig und allein der Dirigent entscheidet doch wie gespielt wird, oder; schließlich klappt ohne ihn eine Tschaikowski-Sinfonie ganz und gar nicht. Auch wenn manche jungen Männer meinen, das wär wie im richtigen Leben, ohne sei's schöner ;)

Spaß beiseite, wer sagt denn, daß Vibrato original Russisch ist? Wer spricht denn hier noch alles außer mir überhaupt diese Sprache? Tschaikowski hat seine herrliche Musik noch ohne Vibrato hören dürfen, selbige Marotte wurde erst viel später populär. Hört doch mal die großen Orchester mit historisch informierter Aufführungspraxis, wie das RSO des SWR mit seinem "Stuttgart-Sound"

http://www.amazon.de/Parsifal-Symphon-Ausz%C3%BCge-Symph-Pathetique/dp/B0006OSENA/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=music&qid=1276812550&sr=1-1

oder besser noch die Aufnahmen mit den Leningradern unter Jewgeny Mravinsky

http://www.amazon.de/Sinfonien-4-5-Evgeny-Mravinsky/dp/B000E0W24S/ref=sr_1_2?ie=UTF8&s=music&qid=1276812233&sr=8-2

und urteilt selbst.

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Re: Tschaikovsky 5. Sinfonie Hornsolo

Beitragvon Peter » Fr 18. Jun 2010, 02:55

Vibrato?
Der berühmte Englische-Polnische Dirigent Leopold Stokowsky hat einmal das Vibrato mit dem "make-up" verglichen. Er meinte etwas vulgär, wer sehe denn gerne morgens seine verknitterte Frau aus dem Bett steigen (die brauche halt make-up), Andererseits, wer fände denn eine hoch "aufgetackelte" Dame aus dem Rotlichtmilieu wirklich schön.

Dieser Vergleich - so finde ich - trifft den Nagel auf den Kopf.
Auch Beates Meinung, das das Vibrato mit dem Alter komme, stimmt.
Das "Angstvibrato" dagegen tut mir eher Leid, als das ich es schön fände.
Die Wiener sagen zu Recht. Das Vibrato komme mit den Emotionen.
Falsche oder gemachte Emotionen in der Musik sind das Schlimmste, was passieren kann.

Also V o r s i c h t mit dem Vibrato.

Selbst bei den Franzosen war es nur eine Mode im 2. Drittel des 20. Jahrh. (Devemy, Thevet Barboteu) Ich habe wunderbare hist. Aufnahmen mit franz. Hornisten o h n e Vibrato (Edouard Vuillermoz). Die heutigen franz. Hornisten lehnen das Vibrato ab.

Bei der 5. Tschaikowski gilt die von Beate erwähnte alte Leningrader Aufnahme (1961 während einer Europatournee aufgenommen) mit Vilalji Bujanowsky als die Referenzaufnahme. Ich habe aber auch eine Aufnahme mit dem PhilharmoniaO. unter Karajan von 1953 mit Dennis Brain (ohne vibrato). Die meisten meiner Hornfreunde geben dieser Aufnahme den Vorzug!

Ich bin generell nicht für das Vibrato, denn es täuscht Musikalität vor; es vernebelt schlechte Intonation und es engt auch die Klangfarben ein. Das Streichervibrato im Orchester dient lediglich der Vereinheitlichung des Tuttiklanges (das man eben nicht 16 einzelne Geigen hört)

Hört Euch aber einmal Orchester mit alten Instrumenten an (wenig bis kein Vibrato, mehr Artikulationen usw.z.B. CMW). Es kratzt und zischt da manchmal, aber es sind unendlich viel mehr Farben zu hören. Die Karajan'schen Aufnahmen mit den Berlinern bei dem das Orchester mit einer dicken vibratoreichen (nicht b. d. Hörnern und Klar.) Einheitssoße übergossen ist, öden mich (vom Klang) an.

Allerdings hat mich das singende leichte Vibrato tschechischer Hornisten (Steffek, Kubat, Gebr. Tylsar usw.) oft sehr begeistern können.
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Re: Tschaikovsky 5. Sinfonie Hornsolo

Beitragvon Prof » Fr 18. Jun 2010, 06:08

Zum Fiebraddo/Vibrato:

Dirigent:"Herr Kollege, wie machen Sie denn das Vibrato ? Mit den Lippen oder mit dem Zwerchfell ?" - Hornist: "Mit den Nerven, mit den Nerven, Maestro !!"

Trotzdem, ein leichtes Singen beim Solo in der Fünften, aber nur eine echt leichtes Singen, kann sehr schön sein (bei anderen cantabile <=gesanglichen>-Soli ebenso), wenn alles andere stimmt. Vivaldix, ist es nicht etwas früh von Dir, überhaupt über dieses Problem nachzudenken. Es geht doch erst einmal darum, dieses schöne Solo ordentlich abzuliefern. Bei einem Buch ist doch der Umschlag auch nicht wichtiger als der Inhalt, oder ?

Also, das Solo ganz locker anfangen. Erfinde doch einen Text dazu, einen Text, der zum Ablauf paßt z.B. (denglish: "Darling, I love you ...."). Dann spielst Du das richtig. Ein solistisches Piano. Zwinge das Orchester, auf Deine Stimme zu hören. Das funktioniert schon. Wenn nicht, bitte den Dirigenten, für den richtigen Streicherteppich zu sorgen. Und immer ganz locker und weich singen, traurig auf einer einsamen Insel ...... Verlaß Dich darauf, das Vibrato kommt dann von selbst. Es steckt dann sowieso in Dir. Nur, die Kollegen sollen das nicht merken. Wenn Dir das Solo gut gelingt, kannst Du ja das ganz leichte Schwingen drauflegen (z.B. a la Dennis Brain), aber nicht mehr, keinesfalls das berüchtigte "Staubsaugergewimmere".
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Re: Tschaikovsky 5. Sinfonie Hornsolo

Beitragvon vivaldix96 » Fr 18. Jun 2010, 15:52

Danke für die Antworten!

Ich konzentriere mich da lieber auf das Solo und lasse mal das Vibrato weg...wie der Prof gesagt hat, Inhalt kommt vor Umschlag!

Gruss, Antonio
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Re: Tschaikovsky 5. Sinfonie Hornsolo

Beitragvon Beate_Pokorny » Sa 14. Feb 2015, 22:23

Entschuldigt mich bitte, daß ich so einen alten Thread aufwärme. Erst jüngst wurde ich von einer lieben Kollegin auf folgende Youtube-Sequenz hingewiesen:

https://www.youtube.com/watch?v=mqYRgbt49CQ

Danke lieber Konstantin,für das gelungene Solo mit dem wundervollen Klang!

Bussi, BEATE :lol:
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Re: Tschaikovsky 5. Sinfonie Hornsolo

Beitragvon klangwelt » So 15. Feb 2015, 09:41

Schön gespielt!
Auch sehr schön ist dies: https://www.youtube.com/watch?v=jXH5KnwSHK4
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Re: Tschaikovsky 5. Sinfonie Hornsolo

Beitragvon klangwelt » Mi 4. Mär 2015, 16:01

Apropos Hornsolo in der 5. Tschaikowski schön gespielt: Weiß jemand, wer der 1. Hornist in der alten Decca-Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern unter Lorin Maazel aus dem Jahr 1963 war?
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