Auf dem Strom auf Naturhorn?

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Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon jleu » Mi 2. Mai 2012, 12:54

Liebe Hornisten,

mal eine ganz dumme Frage, haltet ihr es für vertretbar, "Auf dem Strom" auf Naturhorn zu spielen?
Mit einiger Stopferei scheint es mir technisch grundsätzlich machbar.
Historisch gesehen ist es, sofern ich richtig informiert bin mit einem zweiventiligem Horn uraufgeführt worden.
Vorstellen könnte ich mir allerdings auch, dass dies gerade die Übergangszeit war, in d viele Hornisten noch nicht aufs Ventilhorn umgestiegen sind - möglicherweise wurde es dann auch das ein oder andere mal ventillos gespielt? Ich weiss es nicht!

Nun habe ich bei ein Intnetrecherche gefunden, dass es von Wilhelm Bruns, ich meine im Juni, aufgeführt wird. In der Ankündigung wurde. (mit anderen Stücken, die durchaus original für Naturhorn sein müssten) als "Naturhorn" angekündigt.

Wie ist Eure Meinung?

Wie gesagt - technisch möglich sollte es sein, mehr interessiert mich die Einordnung unter stilistisch-historischen Aspekten (bezogen aufs Instrument).

Besten Dank im Vorraus,

J.Leu.
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Re: Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon www_corno_de » Mi 2. Mai 2012, 15:42

Die Aufführung mit einem Naturhorn ist heute genau so richtig oder falsch, wie mit einem modernen Ventilhorn. Warum?
Uraufgeführt wurde es von Joseph Rudolph Lewy, wahrscheinlich mit einem Ventilhorn. Dieser studierte in Paris und hatte danach sicher noch beste Kontakte dorthin. Schaut man sich die erste Ausgabe der Hornschule von Meifred an (1840), dem ersten Ventilhornprofessor am Pariser Conservatoire, so stellt man fest, das es eine eigene Technik gab, das Ventilhorn zu benutzen. 2 Ventile sind richtig, diese wurden aber eher zum schnellen Wechsel der Stimmung benutzt, man wollte so viel wie möglich das Naturhorn in seinem Charakter erhalten und somit die Naturtonscala nutzen.
Und trotz Ventilhorn gab es gedämpfte Töne! Z.B. wird geschrieben, das Leittöne möglichst gedämpft werden.
Heute kommt man mit einem Naturhorn tonlich wohl näher an das Original, perfekt wäre jedoch ein (nachgebautes) 2 ventiliges Horn. Und dann mit der genannten damaligen Griff- und Stopftechnik. Leider kenne ich keine Aufnahme, die diese Aspekte bisher berücksichtigt.
Robert Ostermeyer Musikedition
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Re: Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon Prof » Di 8. Mai 2012, 13:45

Robert hat sicher mit seinen Argumenten recht, völlig recht, doch
es macht nicht unbedingt das Instrument die Musik. Dazu gehört
eine ganz genaue Vorstellung, die allerdings in der Komposition
liegt. Schubert hatte eben damals nur ganz bestimmte "Geräte" zur
Verfügung.

Wenn der Hornist rein aus dem Notentext heraus Schuberts Stück
interpretiert und sich dem Charakter der Singstimme und des
verwendeten Klavieres anpaßt, ist es völlig egal, ob er oder sie
ein Naturhorn oder z.B. ein Wienerhorn verwendet. Ein einfaches
Horn (z.B. Wienerhorn bzw. Naturhorn) paßt sicher besser, da es
nicht so "aufträgt" wie ein Doppelhorn.

Wilhelm Bruhns zeigt, daß man mit dem Naturhorn eigentlich
"fast" alles spielen kann, WENN MAN ES EHRLICH KANN. Ich selbst
finde das Naturhorn viel intimer im Klang als alle anderen Hörner.
Eine Bedingung ist allerdings dabei: Originaltonart. Jede tiefere
Stimmung würde zur "Grunzerei" führen und den Charakter des
Stückes zerstören.

Da ist dann wieder das moderne Horn gefragt, mit dem man auch
einem Bariton entgegenkommen und das Stück auch in D oder gar
in C spielen kann. Ich habe das einige Male mit Hermann Prey so
machen können (müssen). War zauberhafter Sprechgesang. Auf dem
modernen Horn kann man auch die tiefere Lage sehr gut artikulieren.
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Re: Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon Till » Do 10. Jul 2014, 21:09

Liebe Horngemeinde, ich hätte eine Frage dazu: In Takt 120 ist ein Triller in der 2. Takthälfte auf der Note h1. Wie wird da am Naturhorn getrickst?

Euer ratloser Till :(
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Re: Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon Prof » Fr 11. Jul 2014, 08:38

Hallo Till !

Der h1 Triller kann eigentlich nur gemogelt werden, z.B. leicht gedämpft
und "geschüttelt". Aber das ist nur gemogelt. Eigentlich sollte es ein
Triller h-c-h-c (notiert natürlich !) sein. Das geht aber nur flippernde Hand.

Es sind aber schon genug Argumente gewechselt. Es sprechen aber zusätzlich noch
die Takte 129 - 132 bzw. T. 143 - 146 (Parallelstelle) deutlich genug für den
Einsatz eines mit Ventilen ausgestatteten Horns. Ob damals Halbton-Triller bereits
mit dem Ventil ausgeführt wurden, ist nicht bekannt aber bei fortschrittlichen
Hornisten wohl anzunehmen.

Wenn man allerdings auf dem Naturhorn so gut ist wie Wilhelm Bruhns, na denn !
Trotzdem ist es für weniger gute (nicht schlechtere !) Hornisten eigentlich besser,
doch das Ventilhorn zu nutzen. Das Stück zieht sich in die Länge. Dann ist es schon
vorteilhaft, z.B. auf das B-Horn umschalten zu können.

Wir nutzen ja heute auch den Rechner und das Auto ........ Es kommt dann auf
die Tonvorstellung an. Außerdem sollte das Horn nicht dominieren. Das geht auf
dem einfachen F-Horn und auf dem Doppelhorn genauso gut wie mit dem Natur-
Horn. Das Ergebnis ist einzig wichtig. Wie hat es da einmal ein bekannter Dirigent
formuliert ? "Wie Sie es machen, das ist Ihre Sache !"
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Re: Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon Peter » Fr 11. Jul 2014, 10:30

hier eine unvergleichbar schöne Aufnahme von 1954 mit Dennis Brain youtube
Schubert's "Auf dem Strom" - Richard Lewis, Dennis Brain, Ernest Lush
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Re: Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon klangwelt » Sa 12. Jul 2014, 12:26

Neben der erwähnten Aufnahme mit Dennis Brain (http://www.youtube.com/watch?v=RWjb4szaE6k) gibt es auf Youtube noch eine mit Hans Berger (http://www.youtube.com/watch?v=YU_egtOcm_I), die für alle Wienerhornfreunde besonders interessant sein dürfte. Soweit ich weiß, war Hans Berger ein Schüler des berühmten Karl Stiegler.
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Re: Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon Prof » So 13. Jul 2014, 11:09

Hallo Klangwelt ! Danke dafür, daß Du auf die Einspielung mit Hans Berger
hingewiesen hast. Hans Berger war damals bereits Solohornist der Berliner
Staatsoper. Roland Berger war auch schon geboren.
Dazu gibt es noch eine Geschichte:

Der Direktor der Staatsoper war schon 1937 bei A.H. auf dem Obersalzberg
vorstellig geworden, um für das Orchester höhere Bezüge zu bekommen,
und erwähnte, daß der Solohornist eben ein Angebot aus Amerika
bekommen hätte. Man müsse also befürchten, diesen guten Hornisten deshalb
zu verlieren. "Dann ziehen wir eben seinen Paß ein !" - "Das geht leider nicht.
Er ist nämlich Österreicher, mein Führer !" Dann ging es eben doch mit der
Gehaltserhöhung. So wurde dann auch Roland Berger in Berlin geboren.

Diese wundervolle Aufnahme, bei der ihm sein Kollege Josef Koller für die
letzten tiefen Töne assistierte, da man "en bloc" aufnehmen mußte, wurde
allerdings zusammen mit Aufnahmen von Karl Stiegler und Gottfried Freiberg
schon von mir 1994 auf CD herausgebracht und ist noch immer zu haben.
Warum hat er sich diese letzten Töne abnehmen lassen ? Ganz einfach: Man
kann sich bei diesem wunderbaren Stück sehr leicht "festblasen". Dann kann es
passieren, daß die abschließenden tiefen Töne nur noch als "pooot-pooot"
kommen. Das sollte vermieden werden. Man kann aber auf der Aufnahme
deutlich hören, daß das tiefe "h" zu zweit gespielt wird. Das war für den
"Assistenten" auch nicht ganz einfach, gelang aber sehr gut.

Bei dieser Aufnahme klingt das Horn, als hätte Hans Berger noch Wienerhorn
gespielt. Er stellte sich dann auf das B-Horn um und bekam nach dem Krieg
bei der Einstellung in der Wiener Staatsoper als einziger Hornist das Privileg,
Doppelhorn bzw. B-Horn zu blasen. Er blieb bis 1958/59 am ersten Horn bis
Roland ins Orchester kam. Hans Berger starb um 1996.
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Re: Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon triangle » So 13. Jul 2014, 17:35

mein Blog tiefeshorn.de
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Re: Auf dem Strom auf Naturhorn?

Beitragvon Prof » Mo 14. Jul 2014, 19:27

Es gibt noch eine sehr schöne alte Aufnahme mit Robert Freund und Anton Dermota (tenor),
der weltbekannte Mozart-Tenor.
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