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Notation allgemein

Verfasst:
Do 5. Nov 2015, 21:41
von bloody layperson
Servus,
ich bin kein Hornist, sondern versuche eine Partitur aus den 1920er Jahren zu lesen und bitte um eine kurze Erklärung der Notations-/Transpositionsgewohnheiten in dieser Zeit.
Die verschiedenen Sätze haben diverse Tonarten, die beiden Hörner (ohne weitere Angaben) dabei jedesmal keine Vorzeichen. Ich habe das Gefühl, dass es sich nicht um Hörner in der jeweiligen Tonart handelt, bin aber auch da nicht ganz sicher: Bei einem Stück in d-Moll, würde man da Hörner in F oder in D "verwenden"?
Hörner in F ergeben sehr oft sinnvolle Zusammenklänge, aber auch da bin ich nicht sicher. Es ist eine sehr sekunden- und quartklanggeschwängerte Musik und außerdem meist sehr bewegte Stimmen -- potentiell sind die meisten Töne Durchgangsdissonanzen. Bei einem Horn in F würde man aber doch transponierende Vorzeichen setzen oder? Alsor keine in d-Moll, aber fünf Kreuze in E-Dur?
Re: Notation allgemein

Verfasst:
Fr 6. Nov 2015, 19:29
von Günther
Die Zeit des reinen Naturhorns lag 1920 ca. 100 Jahre zurück. Ohne Hinweis auf das Stück und Ausgabe kann ich hier nur raten. Wenn keine Angebe existiert, so ist es wahrscheinlich in F oder C zu lesen. Das die Vorzeichen nicht über eine Tonart ausgewiesen werden, sondern explizit ausgeschrieben werden kommt hin und wieder vor. Wenn es ein tonales Stück ist, so hilft vielleicht ein Blick auf den Schlussakkord!
Re: Notation allgemein

Verfasst:
Fr 6. Nov 2015, 19:33
von Beate_Pokorny
Hallo bloody layperson,
magst Du uns vielleicht den Komponisten und das betreffende Werk nennen?
In aller Regel gab es notationstechnisch in den 20ern des vorigen Jahrhunderts (fast) alles gängige in der Literatur. Vornehmlich versuchte man sicherlich Horn in F zu editieren, und wenn in Deinem speziellen Fall Hörner ohne Vorzeichen auftauchen, waren es sicher weitere zu transponierende Tonarten. Auch wenn bereits längst Ventilhörner im Einsatz waren. So klingt z.B. D-moll mit F-Hörnern logisch, siehe Mercadante-Concerto oder Mendelssohn-Klavierkonzert. Zugunsten einer sparsamen Schreibweise, also wenig Hilfslinien, wenige Vorzeichen etc. werden die Hornstimmen bereits im 19. Jahrhundert gern in eine günstige Tonart geschrieben.
Bussi, BEATE

Re: Notation allgemein

Verfasst:
Sa 7. Nov 2015, 01:58
von bloody layperson
Tatsächlich macht ein Horn in F am meisten Sinn. Was mich irritiert hat, sind die durchweg fehlenden Tonartenbezeichnungen, die ich bei einem Instrument in F erwartet hätte. Janáceks Sinfonietta endet in geschriebenem Des-Dur (Streicher und C-Trompeten), As-Dur (Hörner) und Es-Dur (Klarinetten), aber da trägt wirklich keines der Systeme, obwohl transponierend notiert, eine Tonartenbezeichung. Ein Blick in Mahler-Partituren gerade eben zeigt mir aber, dass auch dort die explizit genannten Corni in Fa nie eine haben, der Rest der Besetzung durchaus.
Hätte ich natürlich vorher schon selber sehen können. Vielen Dank!
Re: Notation allgemein

Verfasst:
Sa 7. Nov 2015, 10:49
von Peter
kleiner Nachtrag:
Die meisten hiesigen Hornisten sind in der Tradition der transponierenden Hörnerstimmen aufgewachsen. Daraus ergibt sich eine gewisse Aversion zu Tonarten-Vorzeichen. Hornisten die keinerlei Probleme mit dem Transponieren haben, geraten in Panik, wenn sie z. B. mit den Tubenstimmen in der 7. Sinfonie von Bruckner konfrontiert werden (Tube in B-alto, Stimmen mit 6 Tonart-Kreuzen). Daraus ergibt sich eine gewisse Logik, warum Hornstimmen ohne Tonarten-Vorzeichen bevorzugt werden. Ein klarer Vorteil des Transponierens ist die bessere und schnellere Lesbarkeit, was besonders bei Hornisten, die die Tonhöhe vorweghören müssen, vorteilhaft ist.
Allerdings gibt es Problem mit Hornisten aus dem Solfege Reich: Diese benennen alle Töne klingend und müssen sich daher um quasi ein doppeltes Transponieren bemühen. (nämlich von klingend nach F und von dort zu den anderen vorgeschriebenen Transpositionen). Da man bei der Do,Re,Mi Methode die Kreuze und B's nicht singt (z. B. Fa- diesis oder Si-bemolle), ergeben sich zwei Probleme: Musiker die mit dieser Schule sozialisiert sind, spielen zunächst alles ohne Vorzeichen und die gesungenen Silben (Do,Re,Mi usw.) entsprechen nicht immer den musikalisch richtigen Artikulationen.