Horntypen und Intonation

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Horntypen und Intonation

Beitragvon DieDreiWeisen » So 4. Apr 2010, 21:52

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

woher rührt es, dass gewisse Hornbautypen spezielle Intonationsschwächen (und natürlich auch -stärken) haben?
Es ja bekannt, dass z.B. ein Alexander 103 in den meisten Fällen ein leicht zu tiefes f2 (klingendes b1) hat und ein Schmid Doppel ein ungewöhnlich tiefes c2 (klingendes f1) - beide Töne jeweils auf der leeren B-Seite gespielt.
Von der Naturtonreihe müssten beide Töne an sich gut, wenn nicht zu hoch klingen.

Es geht jetzt gar nicht darum, wie man sich hierbei behelfen kann, sondern woher diese Eigenarten der Hornkonstruktionen kommen.

Ich bin gespannt auf eure Meinungen und Ideen!
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Re: Horntypen und Intonation

Beitragvon Peter » Mo 5. Apr 2010, 04:25

Das Thema steht durchaus in einem gewissen Zusammenhang mit dem Thema Mundrohre.
Es sind hauptsächlich die konischen Rohrteile und der Schallbecher die für die Charakteristik der Hörner massgebend ist. Jeder Instrumentenbauer hat da seinen Zuschnitt.
Über Intonation ist schon viel - auch von meiner Seite - gesprochen worden.
Viele Instrumentenbauer orientieren sich leider an der temperierten Stimmung - eine vergebliche Liebesmühe, denn sie ignorieren die Tatsache , dass eben dieses n i c h t erreicht werden kann, weil das System der Blasinstrumente auf der Obertonreihe fußt.
Man hat nun die Möglichkeit mit Manipulation der konischen Teile auf die Intonation Einfluss zu gewinnen. Es gibt diese elektronischen Messgeräte (wie Alexander, wohl auch E.Schmidt und andere sie besitzen). Obwohl diese Computertechnik sicher noch verbessert werden kann, ist sie jetzt schon eine enorme Hilfe.. Hier wird an das Mundstück ein rückkopplungsfreies Mikrophon und Lautsprecher angekoppelt. In den den Schalltrichter hält man seine Hand oder eine "Dummy-Hand".
Nun heult der Computert ein Glissando von ganz tief bis ganz hoch durch das Horn. Das Programm misst nun, wo die Obertöne ansprechen, bzw. wo das Horn auf die Tonhöhe reagiert Man kann das dann später in einem Wellendiagramm sehen.Die Schwingungsgipfel zeigen dann die entspr. Obertonreihe. Man kann die Stärke und die Intonation daraus lesen. Ein Zusatzprogramm sagt einem dann, wo und wie viel man den Rohrdurchmesser verändern muss, wenn man korrigieren will. Hier fangen aber dann die Probleme an. Das Wo erfährt man nur wenn man die
e x a k t e akkustische Hornlänge eingeben kann, was wie schon früher beschrieben gar nicht leicht ist.

Wenn man genau nach der Obertonreihe (reine Stimmung) geht, wird man etwas scharfe Quinten haben (z.B. c2 auf dem B-Horn). Wenn man das vermeiden will, muss man die Oktaven etwas verkleinern (z.B. die Oktave f1 - f2 auf dem B-Horn. Ein Zuviel ist aber sehr ungünstig!!!

Der Weg dahin geht am einfachsten über die konische Mundröhre, obwohl auch am Anstoß (der Teil nach den Ventilen bis zum eigentlichen Schall) Korrekturen vorgenommen werden können. Dieses ist aber ungleich schwieriger, obwohl eigentlich besser, denn eine zu weite Mundröhre ist gar nicht gut für das Spielgefühl.
Durch eine - grob gesagt - weitere Mundröhre spreize ich die Oktaven.

Wir kennen übrigens den umgekehrten Effekt von der Drehventiltrompete: Die haben eine ganz kurze und kaum konische oder gar zylindrische Mundröhre. Hier ist die Oktave c1 -c2 meist (viel) zu weit. Das ermöglicht übrigens, dass die Naturterzen etwas angehoben werden, was sich im chromatischen Spielbetrieb günstg auswirkt.

Langer Rede kurzer Sinn (die theoieresistenten Leser haben hoffentlich längst weggeklickt ): Jeder Instrumentenbauer hat da seinen Kompromiss. Das erklärt hoffentlich ein wenig die gestellte Frage.
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Re: Horntypen und Intonation

Beitragvon Beate_Pokorny » Mo 5. Apr 2010, 09:52

DieDreiWeisen hat geschrieben:...Es ja bekannt, dass z.B. ein Alexander 103 in den meisten Fällen ein leicht zu tiefes f2 (klingendes b1) hat und ein Schmid Doppel ein ungewöhnlich tiefes c2 (klingendes f1) - beide Töne jeweils auf der leeren B-Seite gespielt...


Hallo DieDrei Weisen! :o

Deine Aussage erstaunt mich ein wenig, insofern ich nach 10 Jahren auf meinem Engelbert Schmid-Horn noch keine Intonationsschwächen gefunden habe, im Gegenteil: jeder, aber auch wirklich jeder Ton sitzt dort, wo er hingehört. Gut, ich blase zwar auch ein Tripel mit hoch Es, habe aber im Laufe der Jahre mehrfach, sowohl in der Werkstatt von Engelbert Schmid (darunter auch das Horn seiner Tochter), als auch unter Kollegen verschiedenste Doppelhorn-Ausführungen aus dem Hause Schmid anblasen dürfen und konnte keine "kranken Töne" entdecken, was ich von anderen Fabrikaten leider nicht behaupten kann. Daß sich Hornisten gegen Engelbert Schmids Instrumente entscheiden, liegt mit Sicherheit an klanglichen Vorlieben oder an dem Phänomen, daß Schmid-Hörner durch ihre leichte Ansprache und ihren transparenten Klang recht deutlich (nennen wir es mal ;) ) die Tagesform des Bläsers preis geben. Und natürlich ist bei vielen Käufern nicht zuletzt der Preis mitentscheidend.

@ Peter
Danke für Deinen hervoragenden Beitrag!

Bussi, BEATE :lol:
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Re: Horntypen und Intonation

Beitragvon Altcorno » Mo 5. Apr 2010, 10:24

Peter hat geschrieben:Wenn man genau nach der Obertonreihe (reine Stimmung) geht, wird man etwas scharfe Quinten haben (z.B. c2 auf dem B-Horn). Wenn man das vermeiden will, muss man die Oktaven etwas verkleinern (z.B. die Oktave f1 - f2 auf dem B-Horn. Ein Zuviel ist aber sehr ungünstig!!!

Der Weg dahin geht am einfachsten über die konische Mundröhre, obwohl auch am Anstoß (der Teil nach den Ventilen bis zum eigentlichen Schall) Korrekturen vorgenommen werden können. Dieses ist aber ungleich schwieriger, obwohl eigentlich besser, denn eine zu weite Mundröhre ist gar nicht gut für das Spielgefühl.
Durch eine - grob gesagt - weitere Mundröhre spreize ich die Oktaven.

Wir kennen übrigens den umgekehrten Effekt von der Drehventiltrompete: Die haben eine ganz kurze und kaum konische oder gar zylindrische Mundröhre. Hier ist die Oktave c1 -c2 meist (viel) zu weit. Das ermöglicht übrigens, dass die Naturterzen etwas angehoben werden, was sich im chromatischen Spielbetrieb günstg auswirkt.

Langer Rede kurzer Sinn (die theoieresistenten Leser haben hoffentlich längst weggeklickt ): Jeder Instrumentenbauer hat da seinen Kompromiss. Das erklärt hoffentlich ein wenig die gestellte Frage.


Hier ein Beispiel, wie die Ergebnisse elektronischer Messungen für die Bewerbung des eigenen Produkts eingesetzt werden.

Matthias Beck nimmt für sein Flügelhorn in Anspruch, dass die Abweichungen zur Naturtonreihe bedeutend geringer als bei anderen Fabrikaten sind, weil er kein zylindrisches sondern ein konisches Mundrohr einbaut. Unterlegt wird das mit Schaubildern der Messkurven.

http://fides-instruments.de/Instrumente ... lhorn.html
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Re: Horntypen und Intonation

Beitragvon Martin2 » Di 6. Apr 2010, 11:46

Schon recht interessant, was Beck da schreibt / zeigt. Obwohl eigentlich alle Flügelhörner ein konisches Mundrohr haben, von ein paar Ausnahmen mal abgesehen. Ein gutes Flügelhorn ist ausschließlich in den Ventilzügen zylindrisch. Es gibt auch solche mit konischen Ventilzügen (auch an Trompeten und Tuben zu finden). Gleiches gilt für konische Hauptstimmzüge bei Trompeten oder konischen Posauenzügen (deutsche Posauen oder Teleskopmensur). Auch bei Trompeten findet man auswechselbare Mundrohre - je nach Einsatzzweck konisch, zylindrisch oder parabolisch.
Je zylindrischer die Mensur eines Instrumentes ist, desto einfacher ist es, eine gute Gesamtintonation zu erhalten. Gute Trompeten gibts ja an jeder Straßenecke, gute Hörner nicht. Hierin liegt die Kunst der Hornbauer, trotz der erheblichen Konizität des Horns, etwas Brauchbares zu erschaffen. Gleiches gilt für Flügelhörner. Grob ausgedrückt: Wenn vorne zu, dann hinten auf, bzw. umgekehrt. Wenn also das Mundrohr sehr weit ist, muß der Anstoß- / Becher-Bereich enger ausfallen. Wird das nicht beachtet, hat man Probleme, wie sie etwa das 8D aufweist: Weites Mundrohr und weite Stürze. Das kann nicht funktionieren.
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Re: Horntypen und Intonation

Beitragvon Peter » Di 6. Apr 2010, 15:54

lieber Martin,
ich muss Dir leider widersprechen:
Die beste Intonation gibt es bei gleichbleibenden konischen Instrumenten (z.B. Alphorn). Rein zylindrische Röhren verhindern in der letzten Konsequenz das Überblasen auf den "graden Naturtönen" Klarinetten sind hierfür ein Beispiel; die überblasen nur in den ungraden Obertönen (C-g-e-b usw.).
Wir kennen diesen Effekt, wenn wir auf dem Gartenschlauch blasen. Die intonation ist völlig daneben, der Grundton ist irgendwo in der Tiefe - nicht definierbar. Wenn wir darauf die "üblichen Mätzchen2 spielen, dann nur, weil wir den Umfang zwischen den Obertönen 6 und 12 eingrenzen.
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Re: Horntypen und Intonation

Beitragvon RobLeicht » Di 6. Apr 2010, 16:24

Na, na, lieber Peter, bei allem großen Respekt: Natürliuch überblasen alle zylindrischen Rohre auf den geraden Naturtönen - siehe bestimmte Orgelhochdruckregister, die Böhmflöte etc. Die Klarinette hat ja gerade keine durchgehend zylindrische Bohrung und überbläst deshalb, anders als Querflöte, auf der Duodezime; oder liege ich da völlig falsch?
Salue!
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Re: Horntypen und Intonation

Beitragvon Altcorno » Di 6. Apr 2010, 20:03

Martin2 hat geschrieben:Grob ausgedrückt: Wenn vorne zu, dann hinten auf, bzw. umgekehrt. Wenn also das Mundrohr sehr weit ist, muß der Anstoß- / Becher-Bereich enger ausfallen. Wird das nicht beachtet, hat man Probleme, wie sie etwa das 8D aufweist: Weites Mundrohr und weite Stürze. Das kann nicht funktionieren.


Diese Aussage kann ich aufgrund persönlicher Erfahrung zumindest nicht bestätigen.

Ich besitze ein hierzulande vielleicht wenig anzutreffendes B-Horn mit amerikanischem Trichter. Fetter Sound, aber für die übliche Verwendung eines einfachen B-Horns eher weniger geeignet. Halt günstig geschossen und wird als Zweitinstrument verwendet. Probleme hatte ich mit der Intonation nach oben raus. Das hat sich völlig gegeben, nachdem ich ein gegenüber deutschem Mittelmaß weiteres Mundrohr einbauen ließ. Erklärung des Herstellers: Wenn der Trichter weiter ist, braucht man mehr Druck. Ein Standardmundrohr macht da halt eher zu. Ist das nachvollziehbar?

Es hängt sicherlich auch mit der physischen Konstitution bzw. der Konditionierung zusammen, ob das so oder anders funktioniert. Auf der Messe ist mir auch aufgefallen, dass ich mit weiter dimensionierten Hörnern besser klar komme.
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Re: Horntypen und Intonation

Beitragvon Martin2 » Mi 7. Apr 2010, 07:55

@ Altcorno:
Ein einfach B- Horn mit der B- Seite eines 8D zu vergleichen, geht nur mit Einschränkung. Es liegt aber ja auch am einzelnen Instrument. Nicht nur Mundrohr und Stürze sind für die Intonation entscheident, sondern ebenso die Dimensionen und Längen der übrigen Rohrteile. Über einen Kamm scheren geht also nicht. In dem Falle deines Horns war es vielleicht so, daß das Mundrohr für die Stürze zu eng war. Gewisse Dimensionsverhältnisse spielen da auch eine Rolle. Beim 8D ist das Mundrohr im Verhältnis zum Becher halt zu weit.


@ Peter:
Theoretisch stimmen Deine Aussagen. Da will ich Dir gar nicht widersprechen. Aber wie so oft liegen Theorie und Praxis nicht unbedingt im Einklang. Es ist wesentlich schwieriger, ein gutes Horn als eine gute Trompete zu bauen. Das wird jeder Instrumentenbauer bestätigen. Theoretisch müßte es umgekehrt sein. Aber weder Horn noch Trompete sind durchgehend und vor allem gleichbleibend konisch. Und hierin liegt das Problem.
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Re: Horntypen und Intonation

Beitragvon Hödlmoser » Mi 7. Apr 2010, 10:26

RobLeicht schreibt:

Na, na, lieber Peter, bei allem großen Respekt: Natürliuch überblasen alle zylindrischen Rohre auf den geraden Naturtönen - siehe bestimmte Orgelhochdruckregister, die Böhmflöte etc. Die Klarinette hat ja gerade keine durchgehend zylindrische Bohrung und überbläst deshalb, anders als Querflöte, auf der Duodezime; oder liege ich da völlig falsch?


Aber so von völlig falsch!! :evil:
Es ist einfach so wie Peter geschrieben hat: zyl.Rohr Obertöne 1,3,5,7,9,11,13,15,..
Der Konus verzerrt diese Reihe zu 2,4,6,8,10,12,14,.., ergibt gekürzt 1,2,3,4,5,6,7,8,9,..
Siehe Physikunterricht!
Viel Spaß beim Lernen!
Liebe Grüße vom Hödlmoser
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