Kehlkopfgeräusche

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Kehlkopfgeräusche

Beitragvon Peter » Sa 17. Apr 2010, 11:23

liebe Hornfreunde, heute komme ich mit der Bitte um Rat:
Ich habe hier (in China) einen Studenten, der sehr verkrampft ist und mit übermäßiger Spannung bläst. Ihm das abzugewöhnen fällt mir schwer, obwohl ich alle Register ziehe. Überdies - wahrscheinlich in Folge dieser verkrampften Spielweise - sind sehr laute Stöhngräusche vom der Stimmritze zu hören und zwar sogar, wenn ich ihn legato spielen lasse.

Ich habe zunächst den Ansatz etwas korrigiert (Etwas den Unterkiefer vorschieben, den Mund etwas spitzer (weg von dem extremen "Lächelansatz") und Spielen mit nur soviel Spannung, wie nötig. Den Hals öffnen, die Zungen senken , usw.
Das hat schon etwas gebracht - aber eben nocht nicht alles. Er muss sich auch ständig in den Spielpausen räuspern.

Ich weiss zwar, das die Stimmlippen während des Spielen eines Blasinstrumentes im Verhältnis zu der Tonhöhe etwas mitschwingen; aber das hört man ja in der Regel nicht.

Nun bitte ich Euch um viele Ratschläge.
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Re: Kehlkopfgeräusche

Beitragvon Beate_Pokorny » Sa 17. Apr 2010, 12:54

Peter hat geschrieben:...Nun bitte ich Euch um viele Ratschläge.


Lieber Peter, :)

auf die Gefahr hin, daß man mit Fern-Diagnosen oder Therapien weit daneben liegt, Du aber vor Ort sozusagen das positive umzusetzen vermagst, möchte ich gern darauf hinweisen, daß oft verkrampfte Spielweisen auf überhöhten Staudruck zurückzuführen sind.

"Software"-technisch würde ich den Schüler erst mal ein neues (nennen wir es) Bauchgefühl für die Zwerchfelltätigkeit entwickeln lassen. Du weißt schon, Atemübungen mit Lippenbremse, später mit Mundstück und so weiter... Den Tonumfang für die erste Zeit nach oben natürlich limitieren und in langsamen Schritten wieder mit neu gewonnenem Spielgefühl aufbauen.

"Hardware"-technisch hilft natürlich das Mundstück mit der weiteren Bohrung immens viel, es nimmt auf einen Schlag wahnsinnig viel Staudruck, es bringt aber nichts wenn sich nicht auch bewußt durch Übung und Training die Blaskultur ändert, sonst ist man ruck-zuck nach wenigen Wochen am alten Level mit Gestöhn angekommen. Vielleicht helfen auch zusätzlich Ausdauersport und Entspannungsübungen, denn nur ein gesunder und ausgeglichener Körper vermag das "schönste aller Instrumente" auch würdig und sauber zu spielen. ;)

Bussi, BEATE :lol:
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Re: Kehlkopfgeräusche

Beitragvon Martin2 » Sa 17. Apr 2010, 16:02

Hallo nach China.

Ein erhöhter Staudruck ist oft zu beobachten. Hat Dein Schüler vielleicht vorher mal Trompete oder Oboe gespielt? Ich selbst hatte das Problem mit zuviel Druck, als ich aufs Horn umstieg und viele andere Umsteiger haben dasselbe Handicap. Mir hat damals das Singen (laut und deutlich) viel geholfen (korrekte Atmung) und (kein Witz!) Blockflöte spielen. Hier kann man nur mit sehr wenig Druck überhaupt einen schönen Ton produzieren. Dann soll er mal versuchen, mit dem "Blockflötendruck" einen Ton am Horn zu spielen; das geht, wenn auch nicht unbedingt im ganz tiefen oder hohen Register.
Vielleicht ist das Problem aber auch psychisch bedingt. Ich kenne Leute, die eigentlich sehr schön Horn spielen, aber auf einem Lehrgang mit einem berühmten Hornisten (Baumann) brachten sie vor lauter Aufregung und Angst vor falschen Tönen fast gar nichts zu Stande (Lampenfieber -> Versagensängste).
Wenn kein körperlicher Defekt vorliegt (Geräusche auch beim Sprechen -> Whiskystimme), ist die Verkrampfung (besonders im Halsbereich) eigentlich durch intensive, aber lockere Atemübungen zu beheben, sofern der Schüler seinen Fehler einsieht. Bei den Atemübungen würde ich aber zunächst die Bauchatmung mal außer Acht lassen und mich nur aufs Ausatmen konzentrieren und die Übungen zuerst im Liegen, dann im Sitzen und erst zuletzt im Stehen absolvieren. Viele Schüler stehen auch völlig verkrampft (durchgedrückte Knie und pfahlsteifer Rücken) und das überträgt sich natürlich (unabsichtlich) auf den ganzen Körper. Immer schön locker bleiben.
An der "Hardware" würde ich vorerst mal nichts ändern.
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Re: Kehlkopfgeräusche

Beitragvon Prof » So 18. Apr 2010, 18:32

Martins (2) Antwort kann ich nur unterstützen. Wie wäre es zusätzlich mit "Schwimmen" ?? - (seriös) - Oder auf "Frosch nahe der Stimmritze untersuchen lassen" (nicht ganz seriös).
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Re: Kehlkopfgeräusche

Beitragvon Peter » So 2. Mai 2010, 03:11

liebe(r) Beate, Martin und Hans, zunächst ganz lieben Dank für Ratschläge.
Sie haben mir sehr geholfen das Problem von den verschiedensten Seiten aus zu ergründen und zu lösen.

Mein Student ist auf "einem guten Weg" . Ich glaube, wir haben es geschafft und - ich hoffe ich langweie die Hornwelt nicht damit - will ich erzählen wie:

Es waren natürlich starke Verkrampfungen. Was den Staudruck anbetrifft, so fragt sich, was war zuerst: Das Huhn oder das Ei. oder anders der Luftdruck durch die Bauchmuskulatur oder der Stimmritzenverschluss. Ich kam zu der Überzeugung, dass das Problem an dem zwanghaften Stimmverschluss lag, nicht an der Atemstütze. Die Vorschläge mit der Blockflöte, Bauchgefühl usw. brachten uns nämlich nicht weiter. das Stichwort war aber - wie fast immer - das Singen.

Nach längerem Nachdenken kam ich zu der Überzeugung, das diese zwanghafte Stimritzenbenutzung dem Stottern entfernt ähnliche ist. Und was ist der erfolgreichste Ratschlag, den man Stotteren gibt? Die Worte nicht zu srechen, sondern zu singen..

Dieses bedenkend habe ich dem Studenten, damit er ein Gefühl für die Kontrolle bekommt, eine Woche lang nur Doppeltöne singen/blasen verordnet. Ich bat ihn unser tiefes kleines c zu blasen - wie die Borduntöne in der indischen Musik - und darüber C-dur Dreiklänge mit dem Legatostoß zu artikulieren. Der Trick war dabei, das bei diser ungwöhnlichen Methode dieser Kehlkopfverschluss nicht möglich ist.

Jetzt sind wir so weit, dass er sich zwingt jede Etude/Konzert/Kammermusik -Stück nur singend zu spielen, also absolut ohne Luftstromunterbrechung.
Es klingt sehr schön und es funktioniert. Mit dem staccato (détacher würden Streicher sagen) warte ich noch.
ich bin sehr hoffnungsvoll und der Student ist glücklich.

Er hat sogleich seinen Vater aus Beijing kommen lassen und ich wurde zu einem schier unglaublichen chinesischen Essen eingeladen.
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Re: Kehlkopfgeräusche

Beitragvon Prof » So 2. Mai 2010, 04:48

Lieber Peter in Shenyang !

Bei Dir ist es sicher nicht so heiß wie hier (Ranong heute 40, morgen 42 erwartet). Und Ausrufung des Kriegsrechtes zu befürchten, obwohl die Proteste friedlich sind,

Die Stottererprobleme mit singen zu lösen ist uns ja bekannt:

Anruf: "d d d schu schu..." Feuerwehrmann: " Singen, bitte singen !!!" "Die Schule brennt, die Schule brennt !" Feuerwehrmann: "Fiderallala ! Fiderallala !"

Ich weiß schon, uralter Hut natürlich.

Die Singerei ist ebenso wie das Schwimmen bei Atemverkrampfung DAS Lösungsmittel. Singen hat dazu den Vorteil, gleich zur richtigen Phrasierung beizutragen. Das könnte noch erweitert werden, indem man den Schüler mit der rechten Hand Geigenbogenbewegungen ausführen läßt. So der Delinquent die Bewegung als natürlich empfindet, müßte die Phrasierung schon stimmen.

Damit wären gleich zwei Probleme gelöst.
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