Horn im Blechbläserensemble

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Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon Peter » So 16. Mai 2010, 04:26

Liebe Freunde, sind Euch die Themen ausgegangen? Seit einer Woche kein Beitrag?
Da leidet man ja unter Entzugserscheinigungen.
Also hier ein neues Thema: Und bitte viele Meinungen!

Passt das Horn in Blechbläserensembles, ja oder nein?
Ich meine "nein"! Das Horn ist doch in Blechbläserensembles stets der "Looser" oder?
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Re: Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon Martin2 » So 16. Mai 2010, 08:54

Hallo Peter.
Themen ausgegangen? Na ja, es ist ein "langes Wochenende" (Himmelfahrt) und viele haben sich vielleicht die ganze Woche frei genommen oder waren (wie ich) beruflich ziemlich angespannt. Der freie Donnerstag (und vielleicht auch Freitag) mußten wieder "reingeschafft" werden.

Deine etwas provokante Meinung, daß Horn wäre im Bbe (Blechblasensemble) stets der "Loser", kann ich so einfach nicht stehen lassen. Vielmehr ist das Horn das Salz in der Suppe: Zuviel davon ist geschmacksverderbend, ohne ist die Suppe fade. Was wären die ganzen Bbe's ohne Horn? Das Horn vermittelt zwischen hohem und tiefem, hartem und weichem Blech. Es ist klanglich äußerst flexible (von "alla trombetta" bis hin zu "tutig weichgespült" ist alles möglich. Auch der enorme Tonumfang läßt das Horn im Bbe schon fast als unverzichtbar erscheinen. Zwei Hörner (z.B. bei German Brass) ersetzen eine tiefe Trp., ein Corno da caccia, ein Flh., ein Th., eine Altpos. usw. Man müßte also mindestens noch drei weitere Leute auf die Bühne stellen, hätte man kein Horn. Unser Posaunenchor hatte etwa 30 Jahre lang nur Trp. und Pos. und eine Tuba (Ehmann'scher "Renaissance- PC"). Seit einigen Jahren haben wir drei Hörner, ein Flh., ein Th. und noch eine F-Tb. dabei. Die richtige Mischung machts halt aus. Und die Möglichkeiten der Interpretation sind um ein Vielfaches gestiegen! Heute wollte keiner mehr auf die "Hornochsen" verzichten wollen!
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Re: Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon Steffen » So 16. Mai 2010, 11:19

Hallo zusammen,

im Großteil der mir bekannten Ensembles ist mind. ein Horn. Ich denke da an Canadian Brass oder wie Martin an German Brass, die in vielen Stücken Solos mit den zwei Hörnern haben. Das soll doch schon was heissen.
Mnozil Brass ist aufgrund fehlenden Horns fast schon als Ausnahme zu betrachten, bei denen fehlt m.E. aber spürbar "die Seele" des Ensembles, so gut sie auch spielen.

Martin beschreibt auch die Vielseitigkeit im Gegensatz zu den meisten anderen Instrumenten. Die Trompeter nehmen obenrum halt die Piccolo, untenrum wirds dann recht dünn, wir Hornisten wehren uns in den meisten Fällen gegen Hoch-F oder Hoch-B, es geht ja auch ohne, untenrum kann man auf der F-Seite aus dem Vollen schöpfen.

Zur Vielseitigkeit sei der Hinweis gestattet, dass das Horn sich ja auch im klassischen Bläserensemble als einziges Blech unter Holzbläsern hervorragend einfügt (das ist natürlich einfacher, die Hölzer sind ja viel leiser, aber es ging ja um Vielseitigkeit).
Im Blechbläserensemble muss man natürlich auch auf die richtige Aufstellung der Bläser zu achten, um den "Schall" richtig zu lenken. German Brass benutzt auf Bühnen mit vielen Vorhängen z.B. oftmals eine kleine Trennwand aus mit Filz belegtem Hartfaser im Bereich hinter den Schallbechern, die kommen so recht gut durch.
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Re: Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon herbstgetönter Hain » Mo 17. Mai 2010, 09:17

Das Horn passt wunderbar ins Blechbläserensemble und gibt dem Klang erst die wahre Vollendung ( von Adaci gab es vor vielen Jahren einen Prospekt mit den Rubriken "das hohe Blech", "das tiefe Blech" und "das edle Blech"...)
Ich denke, jedes Kammermusikensemble profitiert davon, wenn ein Horn mitspielt (naja, Blockflötentrio vielleicht ausgenommen). Die Frage ist nur, ob das Horn sich auch immer wohlfühlt. Meine (oh Gott: jahrzehntelange) Erfahrung im Blechbläserensemble: Ein sehr heller Klang ist im Zusammenspiel mit Posaune und vor allem mit den Drommbähten von Vorteil. Ausserdem sollte man sich mehr darauf verlegen, an den Stellen zu glänzen, wo man auch gut durchkommt und sich nicht auf einen "Omnipräsenz"-Wettbewerb mit den Kollegen einlassen. Musikalisch ist die Bandbreite enorm, von spätem Mittelalter bis ultramodern ist alles drin, auch wenn das allermeiste natürlich Bearbeitungen sind. Insgesamt sind die Blech-Konzerte ja eh nicht gar so ehrwürdig und ernst...
Noch ein Aspekt: Im Holzbläserensemble macht man mind. 15 mühsame Proben für ein Programm, dann hat man ein bis zwei schlecht bezahlte und besuchte Konzerte. Die Blechbläser treffen sich einmal und spielen dann 3 Konzerte vor vollem Haus und für gutes Geld.
Ich persönlich möchte das Ensemblespiel mit unseren nächsten Verwandten (Vorfahren) nicht missen.


P.S.: zu dem Mnozil-Brass-link von Alberich: Da sieht man's halt mal wieder, manche müssen den ganzen Abend rauf und runter spielen um ihr Können zu beweisen, der Meister spielt einen einzigen Ton und der Saal tobt. Wir verneigen uns in Ehrfurcht, grosser Tuckwell-sensei...
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Re: Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon Günther » Do 20. Mai 2010, 07:31

Es zahlt sich aus, sich einige der Videos anzusehen und zuzuhören. In einem solchen Ensemble ist das Horn nicht automatisch der looser.

http://ckuik.com/Canadian_Brass
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Re: Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon Steffen » Do 20. Mai 2010, 10:26

@alberich
das ist mir wohl bekannt, Mnozil Brass hatten wir letztes Jahr bei uns im Ort.
Allerdings ist dieses Instrument von Leonhard Paul kein klassisches Horn, glaube eher ein Eigenbau, geht in Richtung Basstrompete, wobei die Mensur schon in Richtung Horninstrument geht, vielleicht kann Peter das genauer erklären, er kennt sich da wesentlich besser aus als ich. Meiner Meinung nach fehlt dort ein "Hornist".

@Günther
der link ist ja genial! Und beantwortet durch Hören viele Fragen bezüglich Hörnern in Blechbläserensembles.
Danke dafür.

@Peter
hast Du das mit dem "Loser" eigentlich ernst gemeint, oder eher eine Provokation, um uns alle anzustacheln??
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Re: Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon Steffen » Do 20. Mai 2010, 15:16

Hallo alberich,

sorry, war mein Fehler.
Bei mir ist gestern die Seite mit dem Video abgestürzt, gleich nach ner halben Minute. Da ich das Stück (bzw. den Rest des Stücks) von Mnozil Brass glaubte zu kennen (allerdings ohne Barry Tuckwell), hab ichs nicht nochmal ganz angesehen.
Habs mir jetzt gerade nochmals ganz angesehen, mit Barry Tuckwell.
Leider ist er nicht immer dabei.......
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Re: Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon Peter » So 30. Mai 2010, 05:59

Ich werde mir jetzt sicher den Unmut vieler Hornfreunde im Forum zuziehen.

Meine Frage und These:
"…Passt das Horn in Blechbläserensembles, ja oder nein?
Ich meine "nein"! Das Horn ist doch in Blechbläserensembles stets der "Loser" oder?…"

Meine Ansicht, dass das Horn (von Ausnahmen abgesehen) n i c h t in Blechbläserensembles passt, wollte nicht provozieren, aber sie ist meine definitive Meinung.

Zunächst möchte ich ausdrücklich und mit Respekt Martin2, Steffen, alberich und dem herbstgetönter Hain danken, dass sie das Horn im Blechbläserensemble so engagiert, sogar liebevoll verteidigen.

Ich will meine Auffassung begründen und bitte um Geduld:

Vor Jahren hörte ich einen Vortrag des anerkannten Musikwissenschaftlers und Barocktrompeters Don Smithers über die Mythologie (Herkunft) der Blechblasinstrumente.
Er meinte, dass die (hauptsächlich) zylindrischen Instrumente wie Trompeten und Posaunen ihren Ursprung in den Röhrenknochen, die stets hoch erhoben in leichter Angriffsstellung geblasen würden, hätten. Dieses sei ein sehr männliches Symbol und signalisiere Herrschaft, Licht, Attraktivität und Stärke, auch Schiksal.
die Bügelhörner dagegen (Vom Flügelhorn bis zur Tuba und die überwiegend konisch sind) hätten ihren Ursprung im Muschelhorn, einem schlechthin typisch weiblichen Symbol und zeige Wärme und Güte

Nun gäbe es zwei Instrumente, die hälftig konisch und zylindrisch seien. das wäre zum einen das Kornett und zum anderen ganz besonders das Horn. Diese Instrumente hätten beide Charaktermerkmale in sich vereint, wenn auch in sehr subtiler Form.
Horn und Kornett wären demnach Zwitterinstrumente.

Soweit Don Smithers.

Ohne im einzelnen darauf einzugehen, meine ich schon, das da etwas dran ist:
Trompeten und Posaunen werden tatsächlich in der Musik sehr häufig in diesem Sinne eingesetzt (z. B. Trompeten = Weihnachtsoratorium, Posaunen = Mozart Requiem) Diese Instrumente können im edelsten Sinne schmettern.

Der warme und weiche Klang der Bügelhörner, dem die Fähigkeit zum Schmettern abgeht ist das Gegenstück zu den "Männern".

Ja, und das Horn?

Der Charakter des Hornes ist das Rufen (nicht das Befehlen), das Verzaubern, das Verlocken und vielleicht auch das Verführen.
Das Horn ist seinem zwitterhaften Wesen nach eher ein Begleiter und ein geheimer Führer. Es kann in subtiler Weise schmettern und uns mit sanften und weichen Klängen betören. Aber alles ist sehr geheimnisvoll und äusserst indirekt (Schalltrichter nach hinten und Hand zum Tonmodellieren im Becher).

Diese Feinheit und Indirektheit machte das Horn im Verein mit den eher naiv direkten "Männern" (Tromp.Pos.)und den warm -weichen Vereinnahmung der "Weiber"(Bügelhörner) das Horn zum Unterlegenen.



Ich habe unzählige Blechbläserensemble gehört und auch in ihnen auch gelegentlich gespielt: Immer wieder habe ich diese Empfindung gehabt.. Die Hornpartien waren immer sehr schwer, aber wenig wirkungsvoll. Die Trompeten brauchten nur wenige hohe Töne zu spielen und hatten sofort die Begeisterung auf ihrer Seite.

Nun könnte man meinen, das wäre die Einzelmeinung eines verschrobenen Grufits.
Meinethalben! Ich kenne aber viele, wirklich sehr viele, Hornisten. Ich habe sie diesbezüglich nach deren Meinung gefragt.
Fast 100% haben mir beigepflichtet, selbst jene, die regelmäßig in BLBLEns. spielen.
Alle großen Solisten wie Hermann Baumann, Peter Damm, Radek Baborak Allesio Allegrini oder Hornisten der Vergangenheit, wie Dennis Brain, Lucien Thevet , Franz Strauss oder Gottfried von Freiberg haben das Spielen in BlBlens. vermieden. (Natürlich nicht in Hornensembles)

Selbst im Orchester sind die großen Hornpartien meist nicht mit den Trompeten und Posaunen zusammen. Das heisst nicht, das sie nicht zusammenspielen. Das sind dann aber immer die Blechbläserchoräle in denen die Trompeten führen.
Aber die Soli?
Sehr häufig haben mir die Solohornisten, mit denen ich zusammenspielen durfte, empfohlen, mich bei den großen Blechtuttistellen zurück zu halten: "Lass das die Trompeten das machen, das ist nicht unser Geschäft, spare die Kräfte für unsere Soli"

Übrigens, das auf diese hoch brisante Frage nur vier Hornfreunde geantwortet haben, zeigt mir, das doch sehr viele in diesem Forum auch diesbezügliche Zweifel haben.

Hier nochmals meinen Respekt vor denen, die dieses anders sehen.
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Re: Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon Prof » So 30. Mai 2010, 07:04

Lieber Peter !

Einverstanden. Das Horn hat echt im Blechbläserensemble, wenn es der Komponist versteht, eine verbindende Aufgabe, wie auch im Orchester, vermittelnd zwischen den Registern, vermittelnd zwischen Bläsern untereinander und auch den Streichern. Die Arrangeure, die klassische oder gar barocke Werke für Blechbläserquintett setzen, kommen vielfach aus unseren eigenen Reihen und versuchen deshalb möglichst viel für den einzelnen Bläser herauszuholen, was aber für das Horn oft weder klanglich noch spieltechnisch zum Vorteil endet. Wenn wir unbedingt großen Ehrgeiz haben, solistisch hervorzutreten, dann gibt es ja für uns Hornisten eine ungeheure Vielzahl von Kammermusik mit Streichern oder mit Bläsern, mit Harfe oder Klavier usw.

Im Orchester ist die Rolle des Horns neben den oben angeführten und neben den von Peter geschilderten Aufgaben bei manchen Komponisten aber doch in der "von uns gewünschten Richtung" angesiedelt, d.h. der heldische Klang und die "Motorfunktion des Hornorchesters" kommen groß zur Geltung (Bruckner, Wagner, R. Strauss).

Die Filmkomponisten unserer Zeit, aber auch deren Vorgänger, haben diese Beispiele gerne aufgenommen und fortgeführt (Jerry Goldsmith, James Horner, Korngold, Elmar Bernstein, Maurice Jarre, usw.).

Das nur zur Ergänzung.

Liebe Grüße nach Fernost.

Hans
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Re: Horn im Blechbläserensemble

Beitragvon Hödlmoser » So 30. Mai 2010, 11:02

Lieber Peter!
Ich darf Dir in jeder Hinsicht recht geben. Als ich vor ca. 100 Jahren das erste mal im Blechquintett mitspielte, kam ich mir sehr deplaziert vor. Ich versuchte dann die positiven Seiten zu sehen und zwar daß viele jazzartige Stücke und Ragtimes nie in mein Repertoire gefunden hätten. Außerdem lernte ich ein wenig lauter zu spielen. Betonung auf "wenig". Das Horn sollte doch seinen weichen Charakter behalten und mehr durch seinen Ton hervor"stechen" oder besser -stehen.
Du schreibst ferner:
Sehr häufig haben mir die Solohornisten, mit denen ich zusammenspielen durfte, empfohlen, mich bei den großen Blechtuttistellen zurück zu halten: "Lass das die Trompeten das machen, das ist nicht unser Geschäft, spare die Kräfte für unsere Soli"

Das stimmt 100%ig! Vor paar Monaten spielte ich 9x die 8.Beethoven und vor einigen Wochen die 7.Beethoven. Da machte ich es so wie Du eben geschrieben hast. Und die schönen Soli und die hohen h2 kamen von selbst.
Blechquintett macht nicht annähernd soviel Freude wie Holzquintett, Bläseroktett oder Kammermusik mit Streichern. Für Hornisten!
Ciao, viel Spaß im fernen Osten und komm bald wieder.
Liebe Grüße vom Hödlmoser
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