Dennis Brain und Alexander

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Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Altcorno » Mi 13. Jan 2010, 23:08

Pettitt schreibt in seiner Dennis Brain-Biographie (S. 123 f. der 2. Ausgabe, 1989), D. B. habe mit Alexander an der Weiterentwicklung von B-Hörnern gearbeitet.

"Dennis besuchte Alexander häufiger und arbeitete eng mit ihnen zusammen, wobei er sich für das fünf-ventilige B-Horn sowie das Hoch-F-Horn einsetzte. Im Sommer 1953 probierte er wieder ein fünf-ventiliges Horn aus. Dieses war wie zuvor ein B-Horn mit A-Ventil, besaß aber zusätzlich noch ein ansteigendes D-Ventil. Letzteres verlieh dem Horn einen sehr großen Tonumfang. Er war allerdings nie glücklich mit diesem Instrument und kehrte bald wieder zu seinem ursprünglichen B-Horn zurück." (Free and non committal translation by 'Altcorno')

Sind noch weitere Quellen zu diesem Instrument bekannt und was hatte es damit auf sich?
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Re: Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Peter » Do 14. Jan 2010, 19:36

lieber Altcorno, Deine Frage ist hoch interessant.
Dennis Brain hat ja zunächst ähnlich wie sein Vater auf einem franz (Raoux) F-Horn gespielt. Wie gut er das konnte veraten die Aufnahmen bis etwa 1951. Allerdings fing er früh an zu eperimentieren. Man kann ja die alten franz. Hörner /wie die Wiener Hörner) "umstecken". Wenn man auf sein Raoux statt des F-Bogens einen Stift steckt dann steht das Horn C-alto. Er wollte aber ein B-Horn haben. Er ließ sich ein zusätzliches Drehventil einbauen welches umgekehrt (wie bei den franz. Hörnern) geschaltet wurde. Mit einem B-Ventilsatz hatte er nun ein B-Horn mit einem C-Ventil. Drehte er das C-Ventil in Vertiefendes Ventil und nahm er stattdessen einen B-alto Bogen, so war es ein B-Horn mit einem A- oder Stopfventil . Auf diesem Horn hat er KV 417 (ich glaube 1948) mit Walter Süsskind eingespielt.
Natürlich war dann 1951 der Schritt zu einem Alexander-B-Horn mit ein dem franz. Hörnern ähnlich gebogenen Mundröhre nicht mehr weit. Auf diesem hat er fast alle seine Aufnahmen ab 1951 bis zu seinem Tod eingespielt. Über seine weiteren Experimente weiss ich leider wenig. Rückfragen bei Alexander blieben erfolglos. Man darf nicht vergessen, dass zu dieses Zeit der Großvaters des jetzigen Philip Alexander Chef war.Da istwohl leider vieles in Vegessenheit geraten.
Einige Angaben bekam ich von einem seiner letzten Schüler Kauro Tchiba (Batschi), dem Vater der japanischen Hornschule. Dieser kam 1956 seiner damaligen Frau der Pianistin Yoko Kono zu Liebe an die Detmolder Hochschule, wo ich gerade zu studieren anfing.

Die in Pettis Biografie beschriebenen Versuche sind wohl zutreffend, nur das dieses ansteigende Ventil ein hoch-Es Ventil gewesen sein soll. Das war fast so ähnlich wie beim Aebimodell. Ein 5 Ventilges- B-Horn mit einen unkompensierten hoch Es.Ventil und einem hoch-Es-Horn Halbtonventil.
Strauss2 mit Sawallisch soll er darauf ein gespielt haben, so sagt man.

Ich habe ein altes 5.-ventilgen Alex-Horn in diese Richtung 1968 umbauen lassen. Dazu muss man wissen, das damals am ersten Horn im RSO Frankfurt mein Lehrer Gustav Neudecker, - der ja auch der Lehrer damals dann von Tschiba war.- saß, der ein einfaches 5-ventiliges hoch-Es Horn spielte. Ich wollte ihm irgendwie gleich kommen.

Weiss jemand mehr daüber?
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Re: Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Martin2 » Fr 15. Jan 2010, 08:57

In einer der letzten Ausgaben des Horn Call war doch ein Artikel von Kauro Tchiba, in dem er über seine Lehrzeit bei Brain berichtet. Vielleicht ist dort ebenfalls etwas darüber nachzulesen. Da ich die Hefte aber regelmäßig verleihe, kann ich momentan nicht nachsehen. Das Raoux- Horn mit dem Drehventil war auch schon mal irgendwo abgebildet... Nur, wo? Entweder habe ich es ebenfalls im Horn Call gesehen oder auf einer der vielen französischen Internetseiten, die sich mit Musik befassen (Alzheimer läßt grüßen....).
Daß bei Alexander nichts mehr zu erfahren ist, verwundert aber nicht. Meist existieren von solchen Sonderanfertigungen nicht einmal Bilder oder richtige Zeichnungen. Die Meister habens im Kopf, wie ein solches Teil zu bauen ist und machen sich höchstens ein paar Skizzen, die anschließend im Müll landen. Das ist in anderen Handwerksberufen ja genauso.
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Re: Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Prof » Fr 15. Jan 2010, 11:10

Martin, schau doch mal in Deiner Brain Biographie (Pettitt) nach. Da gibt es dieses Foto mit dem restaurierten und umgebauten Raoux. Ein ganz hübsches Porträtfoto vom Edinburgh Festival 1950. Darunter ist dann ebenfalls ein Foto (8.Juni 1950) mit Hindemith in Baden-Baden. Hier hält er das noch nicht modifizierte Raoux.

Manchmal sind Dinge ganz nah, man sieht sie nur nicht.
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Re: Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Prof » Fr 15. Jan 2010, 11:11

Martin und Peter:

er hieß Kaoru Chiba nicht Kauro Tchiba. Habe oft genug bei ihm in Shinjuku gewohnt und telefoniere mit seiner Frau fast jeden Monat.
Alle nannten ihn nur Batchi bzw. Batschi oder in Respekt: Chiba-sensei (Professor Chiba).
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Re: Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Martin2 » Fr 15. Jan 2010, 18:34

Domo, sensei san.
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Re: Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Altcorno » Fr 15. Jan 2010, 21:48

Peter hat geschrieben:lieber Altcorno, Deine Frage ist hoch interessant.
Dennis Brain hat ja zunächst ähnlich wie sein Vater auf einem franz (Raoux) F-Horn gespielt. Wie gut er das konnte veraten die Aufnahmen bis etwa 1951. Allerdings fing er früh an zu eperimentieren. Man kann ja die alten franz. Hörner /wie die Wiener Hörner) "umstecken". Wenn man auf sein Raoux statt des F-Bogens einen Stift steckt dann steht das Horn C-alto. Er wollte aber ein B-Horn haben. Er ließ sich ein zusätzliches Drehventil einbauen welches umgekehrt (wie bei den franz. Hörnern) geschaltet wurde. Mit einem B-Ventilsatz hatte er nun ein B-Horn mit einem C-Ventil. Drehte er das C-Ventil in Vertiefendes Ventil und nahm er stattdessen einen B-alto Bogen, so war es ein B-Horn mit einem A- oder Stopfventil . Auf diesem Horn hat er KV 417 (ich glaube 1948) mit Walter Süsskind eingespielt.
Natürlich war dann 1951 der Schritt zu einem Alexander-B-Horn mit ein dem franz. Hörnern ähnlich gebogenen Mundröhre nicht mehr weit. Auf diesem hat er fast alle seine Aufnahmen ab 1951 bis zu seinem Tod eingespielt. Über seine weiteren Experimente weiss ich leider wenig. Rückfragen bei Alexander blieben erfolglos. Man darf nicht vergessen, dass zu dieses Zeit der Großvaters des jetzigen Philip Alexander Chef war.Da istwohl leider vieles in Vegessenheit geraten.
Einige Angaben bekam ich von einem seiner letzten Schüler Kauro Tchiba (Batschi), dem Vater der japanischen Hornschule. Dieser kam 1956 seiner damaligen Frau der Pianistin Yoko Kono zu Liebe an die Detmolder Hochschule, wo ich gerade zu studieren anfing.

Die in Pettis Biografie beschriebenen Versuche sind wohl zutreffend, nur das dieses ansteigende Ventil ein hoch-Es Ventil gewesen sein soll. Das war fast so ähnlich wie beim Aebimodell. Ein 5 Ventilges- B-Horn mit einen unkompensierten hoch Es.Ventil und einem hoch-Es-Horn Halbtonventil.
Strauss2 mit Sawallisch soll er darauf ein gespielt haben, so sagt man.

Ich habe ein altes 5.-ventilgen Alex-Horn in diese Richtung 1968 umbauen lassen. Dazu muss man wissen, das damals am ersten Horn im RSO Frankfurt mein Lehrer Gustav Neudecker, - der ja auch der Lehrer damals dann von Tschiba war.- saß, der ein einfaches 5-ventiliges hoch-Es Horn spielte. Ich wollte ihm irgendwie gleich kommen.

Weiss jemand mehr daüber?



Lieber Peter,

bei Deinen Mitteilungen geht dem gelernten Historiker und Hornliebhaber das Herz auf!

Gleichzeitig verwundert es mich etwas, dass eine Firma wie Alexander derartige Tüfteleien nicht schon im Hinblick auf mögliche Gebrauchsmusteranmeldungen hin aufgezeichnet hat.

Dein Beitrag wirft natürlich auch weitere Fragen auf: Wieso Es-Ventil statt C- oder (wie Pettitt behauptet) D-Ventil?

War das Doppelhorn bzw. Diskantdoppelhorn in den Fünfzigern bereits die Standardausstattung auch für hohe Hornisten - und somit Brains Versuche eher der Sonderweg eines Einzelnen? Dies würde den Schluß nahe legen, dass Alexander den Versuchen keine wirtschaftliche Bedeutung für die eigene Produktentwicklung beimaß.

Wie ist er auf die Verwendung eines Halbtonventiles gekommen, gab es hierfür Vorbilder?

Wie soll man sich den Einsatz des Diskanthorns bei Brain vorstellen? Brain wird ja immer so dargestellt, als hätte er am liebsten alles auf seinem alten französischen F-Horn von 1808 gespielt, einschleißlich Strauss 2 unter Sawallisch.
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Re: Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Prof » Sa 16. Jan 2010, 08:19

Lieber Martin !

wozu wohl braucht ein Solist wie Dennis Brain ein aufsteigendes Ventil, das sein B-Horn eine Quarte höher bringt ? Ooops, nicht das ganze Horn, sondern nur die Naturtöne für die Es-Tonalität ? Doch nur für Spezialaufgaben in der "Stratosphäre". Da man dort oben eigentlich nur Naturtöne und höchstens den Halbton braucht, wurde eben ein zusätzliches "adaptiertes" Halbtonventil eingebaut. Ganz richtig, Peter, wie beim Aebi Modell (F-Horn + B-Horn - Naturtöne; Funktion nur des zweiten Ventils für beide Tonalitäten). Mit dem hoch-Es-Horn konnten c3 (Es0), des3 (Es2), d3 (Es0), es3(Es2 etwas zu hoch) als Naturtöne 9 - 10 (-1/2) - 10 - 11 (-1/2) produziert werden.

Das Halbtonventil war aber separat, wodurch dann die Verwendung zumindest geschwindigkeitsmäßig eingeschränkt wurde. Das kann dann zu "Verwirrungen" führen (Arie "Per pieta" z.B.). Außer bei diesen "hohen Dingern" braucht man diesen "Aufsteigerzusatz" eigentlich nicht, da man heute dafür das reine hoch-F oder hoch-Es Horn benutzen kann. In der Orchesterliteratur gibt es, abgesehen von der Barockmusik, extrem wenige Stücke, die mehr als c3 verlangen. Auch Dennis Brain brauchte dafür sicher keinen "Sondersteigbügel".

Das Bild vom Edinburgh Festival 1950 zeigt übrigens sein umgebautes Raoux (wahrscheinlich ein Raoux-Millereau) als B-Horn mit dem nach dem dritten Ventil eingebauten Stopfventil und den kürzeren Zügen bei den drei Ventilen. Die kürzeren Züge gehörten zur normalen (Wechsel-) Ausstattung. Auf dem Foto mit Hindemith hält Dennis Brain eindeutig ein reines F-Horn ohne jeden Schnick-schnack.

Ich besaß auch ein extra angefertigtes hoch-F-hoch-B(soprano) Horn, bei dem allerdings nur das erste Ventil in der B-soprano Region verwendbar war. Der Ventilzug konnte, da er eine seitliche Führungshilfe besaß, unmittelbar vor der höchsten Stelle superschnell ganz hinein geschoben werden (und retour), sodaß z.B. die Cadenza im F-Dur-Konzert von Händel (doppelchöriges Orgelkonzert, adaptiert für Horn und Orgel a la Baumann), die bis zum e3 geht, einwandfrei gebracht werden konnte (hab´s mehrmals aufgeführt). Den Rest hat man sowieso aus Klanggründen auf dem hoch-F gespielt. So war es wohl bei Dennis Brain auch mit diesem Versuch.

Stephen Pettitt hat sich offensichtlich hinsichtlich hoch-Es geirrt und hoch-D daraus gemacht. Die Biographie erschien ja erst fast zwanzig Jahre nach Dennis Brains Tod.

Seine Absicht war wohl, ein einziges Instrument für alle Aufgaben zur Hand zu haben.Tripelhörner gab es damals noch nicht.
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Re: Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Martin2 » Sa 16. Jan 2010, 08:46

Lieber Prof,

ich bin jetzt etwas irritiert. :?
Waren Deine letzten beiden Beiträge vielleicht für "Altcorno" bestimmt und Du hast sie falsch adressiert?
Ich habe nämlich weder eine Brain- Biographie von Pettitt, noch die Frage gestellt, wozu Brain ein hohes Horn gebraucht hätte.
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Re: Dennis Brain und Alexander

Beitragvon Altcorno » So 17. Jan 2010, 11:16

Prof hat geschrieben:Lieber Martin !

wozu wohl braucht ein Solist wie Dennis Brain ein aufsteigendes Ventil, das sein B-Horn eine Quarte höher bringt ? Ooops, nicht das ganze Horn, sondern nur die Naturtöne für die Es-Tonalität ? Doch nur für Spezialaufgaben in der "Stratosphäre". Da man dort oben eigentlich nur Naturtöne und höchstens den Halbton braucht, wurde eben ein zusätzliches "adaptiertes" Halbtonventil eingebaut. Ganz richtig, Peter, wie beim Aebi Modell (F-Horn + B-Horn - Naturtöne; Funktion nur des zweiten Ventils für beide Tonalitäten). Mit dem hoch-Es-Horn konnten c3 (Es0), des3 (Es2), d3 (Es0), es3(Es2 etwas zu hoch) als Naturtöne 9 - 10 (-1/2) - 10 - 11 (-1/2) produziert werden.

Das Halbtonventil war aber separat, wodurch dann die Verwendung zumindest geschwindigkeitsmäßig eingeschränkt wurde. Das kann dann zu "Verwirrungen" führen (Arie "Per pieta" z.B.). Außer bei diesen "hohen Dingern" braucht man diesen "Aufsteigerzusatz" eigentlich nicht, da man heute dafür das reine hoch-F oder hoch-Es Horn benutzen kann. In der Orchesterliteratur gibt es, abgesehen von der Barockmusik, extrem wenige Stücke, die mehr als c3 verlangen. Auch Dennis Brain brauchte dafür sicher keinen "Sondersteigbügel".
[...]
Seine Absicht war wohl, ein einziges Instrument für alle Aufgaben zur Hand zu haben.Tripelhörner gab es damals noch nicht.


Herzlichen Dank, das ist einleuchtend dargestellt!

Ab etwa wann wurden denn Diskantdoppelhörner für derartige Aufgaben eingesetzt?
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